„Gefallene Politikerin“ zu Gast bei der IHK Wirtschaftslage, Investitionsstau und Bürokratie

Grevenbroich · Die aktuelle wirtschaftliche Lage, der Investitionsstau und die Belastungen durch Bürokratie – die Themenpalette der Diskussion zwischen Ricarda Lang und Unternehmern aus dem Rhein-Kreis war vielfältig.

Foto: IHK.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein hatte die Noch-Bundesvorsitzende der „Grünen“ zu ihrem politischen Diskussions-Format „IHK trifft…“ eingeladen. Vor dem Hintergrund, dass Lang für November ihren Rücktritt angekündigt hatte, erlebten IHK-Präsident Elmar te Neues, IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz und die übrigen Teilnehmer eine ausgesprochen offene und auch selbstkritische Bundesvorsitzende.

In seiner Begrüßung machte Steinmetz deutlich, wie ernst die Lage ist. „Die Stimmung in der Wirtschaft ist ausgesprochen schlecht. Die Energiekosten, die Steuerlast, die Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie immer neue Gesetze und Regelungen bereiten den Unternehmern große Sorgen und schaden der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft“, sagte Steinmetz.

„Die aktuelle wirtschaftliche Lage müssen wir sehr ernst nehmen. Neben den krisenbedingten Veränderungen – vor allem ausgelöst durch Russlands Angriff auf die Ukraine – sehen wir jetzt auch strukturelle Missstände der vergangenen Jahre: fehlende Fachkräfte, Bürokratie und mangelnde Investitionen im privaten und öffentlichen Sektor“, erklärte Lang in ihrem Eingangsstatement. „Wir müssen das deutsche Wachstumsmodell jetzt neu definieren; den Anfang hat unser Bundeswirtschaftsminister gemacht: weniger Exportabhängigkeit, mehr Binnennachfrage und ein Wohlstand, der auf klimaneutralen Füßen steht.“

Deswegen regte die Politikerin ein Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur an. Lang: „Das gelingt uns nur, wenn der Staat seiner Verantwortung gerecht wird, wenn er liefert – da hat die Ampel in ihrer Außenwirkung nicht immer ein gutes Bild abgegeben. Was wir jetzt brauchen: mehr Investitionen in unsere Infrastruktur und das wirtschaftliche Fundament des Landes. Nötig dafür ist ein Sondervermögen für Investitionen, das auch die CDU-Ministerpräsidenten für sinnvoll halten.“

In der anschließenden Diskussion wurde von Seiten der Unternehmer die wachsende Bürokratie und die mangelhafte Digitalisierung der Verwaltungen angesprochen. IHK-Präsident te Neues ergänzte aus eigener Erfahrung als Unternehmer: „30 Prozent meiner Arbeitszeit bin ich mit Bürokratie befasst. Diese Zeit fehlt mir, um mich um die Entwicklung unseres Betriebes zu kümmern.“

Bürokratieabbau sei ein Wirtschafts-Booster zum Nulltarif. Lang ergänzte, dass mit Blick auf das Funktionieren des Staates in der nächsten Legislatur vor allem eine Staatsreform notwendig sei. „Die Aufgabenteilung von Bund, Ländern und Kommunen ist in vielen Bereichen veraltet, zu langsam, zu ungenau“, so die scheidende „Grünen“-Vorsitzende.

Mehr Investitionen seien insbesondere auch für die erfolgreiche Transformation im „Rheinischen Revier“ notwendig, wie Steinmetz und David Bongartz von der „Zukunftsagentur Rheinisches Revier“ deutlich machten. „Die Förderstruktur ist sehr kompliziert“, so Bongartz. „Wieso entwickelt man die ehemaligen Braunkohleregionen nicht zu Pilotregionen für den Bürokratieabbau mit ganz einfachen Genehmigungsverfahren?“

Der IHK-Hauptgeschäftsführer wies darauf hin, dass eine sichere und bezahlbare Energieversorgung für die Region Mittlerer Niederrhein mit ihren zahlreichen Betrieben der energieintensiven Industrie besonders wichtig sei. „Entscheidend ist, dass wir zu Preisen für unsere Energieversorgung zurückkehren, die unseren Standort wieder international wettbewerbsfähig machen, also die an den Energiepreis gekoppelten Abgaben, Steuern und Umlagen schnell und planbar dauerhaft senken“, mahnte Steinmetz.

Er erinnerte daran, dass der auf 2030 vorgezogene Ausstieg aus der Braunkohleverstromung nur möglich sei, wenn ausreichend Gaskraftwerkskapazitäten geschaffen worden seien und betonte, dass die verbleibende Zeit dafür immer knapper werde. Daher sehe es danach derzeit nicht aus.

(-ekG.)