Exklusiv-Interview mit dem Präsidenten: „Das hat dazu geführt, dass die Gemeinschaft stärker wurde“
Grevenbroich · Der Countdown zum Grevenbroicher Schützenfest läuft. Im Interview mit dem Erft-Kurier verrät Detlef Bley, Präsident des Bürger-Schützen-Vereins Grevenbroich, unter anderem, worauf er sich am meisten freut, welche Auswirkungen die Pandemie auf das Schützenwesen hat und ob es vielleicht einmal eine „echte“ Schützenkönigin in Grevenbroich geben wird.
Wird das Schützenfest 2022 endlich wieder ein ganz normales Schützenfest?
Detlef Bley: Wir planen für das Schützenfest 2022 ein ganz normales Schützenfest und werden vom Ablauf auf das Jahr 2019 aufsetzen...
Worauf freuen sich die Grevenbroicher Ihrer Meinung nach am meisten? Und worauf freuen Sie sich?
Ich denke, die Grevenbroicher Bürger freuen sich am meisten auf unsere Umzüge, den wieder toll gestalteten Kirmesplatz und die Gelegenheit, bei unseren Zeltveranstaltungen, unter anderem am traditionellen Frühschoppen montags, wieder Freunde treffen zu können.
Nach der Wehmut der vergangenen Jahre durch viele ausgefallene Veranstaltungen, wieder die Freude ein paar Tage an gewohnter Stelle gemeinsam feiern zu können. Einfach mal ein paar Stunden mit uns gemeinsam die täglichen Sorgen ausblenden und im Brauchtum entspannen.
Auch wenn es natürlich bereits seit einigen Wochen für alle Ehrenamtler in Reihen des BSV einen teils erheblich vergrößerten Arbeitsaufwand bedeutet, und ich glaube, ich darf hier auch für meine Vorstandskollegen sprechen, freuen wir uns ja auch schon mit Beginn dieser Organisationstätigkeit sehr darauf, wieder im gewohnten Rahmen mit unseren Zugkameraden und unseren Ehefrauen „unser“ Schützenfest gemeinsam als große Schützenfamilie zu feiern.
Am Samstagabend an der festlichen und stimmungsvollen Serenade teilzunehmen, mit Marschmusik durch die festlich geschmückte Stadt ziehen zu können, zu sehen wie sehr alle Bürger Freude an unseren Umzügen haben und hier als Zuschauer teilnehmen und unterstützen, macht, wenn man nur einen Tropfen Schützenblut in sich hat, absolut Gänsehaut.
Das hat uns allen jetzt zwei Jahre lang gefehlt und die steigende Anspannung und Vorfreude ist bei allen vorbereitenden Treffen und Versammlungen deutlich zu spüren!
Nach zwei Jahren Pause – sind Ihre Schützen da eingerostet? Musste der Paradeschritt neu einstudiert werden?
Eine kleine Anlaufkurve war schon zu spüren! (schmunzelt)
Beim ein oder anderen sah man schon hier und da in fragende Augen. Wie war das noch einmal? Achja, stimmt ja! So haben wir es immer gemacht!
Spaß beiseite, die „normalen“ Abläufe des Schützenfestes „können“ natürlich alle Beteiligten; Pläne und Listen für die Organisation und den Ablauf liegen ja grundsätzlich fest. Nach kurzer „Erinnerungsphase“, dass kennen Sie sicher von sich selbst, fallen einem dann auch sehr schnell die jahrzehntelang probaten Umfänge wieder ein.
Aber im Ernst, ist der BSV gut durch die Pandemie gekommen? Welche Auswirkungen werden bleiben?
Grundsätzlich ist der BSV Grevenbroich gut durch die Pandemie gekommen. Die aus der Not geborenen Konzepte für Veranstaltungen haben sogar an der ein oder anderen Stelle dazu geführt, dass wir vermutlich diese, zumindest teilweise, in die regelmäßigen Abläufe und Formate aufnehmen werden.
Ein Mitgliederschwund war für uns nicht relevant zu verzeichnen und auch die ehrenamtliche Motivation hat hier nicht sehr gelitten.
Einzig, und das war bereits meine Befürchtung beim Schützengipfel 2020, wird verstärkt Aufwand im Jugendbereich betrieben werden müssen. Den Jüngsten unser Brauchtum wieder näherzubringen, wird die Aufgabe unserer Jugendbetreuer in der nächsten Zukunft sein. Es ist halt nicht ganz einfach, Kindern und Jugendlichen, ohne „Action“, unser Brauchtum näherzubringen.
Hier haben jedoch Axel Holzhausen und Uli Herlitz bereits innovative Konzepte entwickelt und sind gerade dabei, diese umzusetzen. Entgegen diesem Trend der letzten zwei Jahre können wir jedoch trotz Coronaausfällen auch in diesem Jahr wieder die Neugründung von zwei jungen Schützenzügen vermelden. Dies freut uns als Vorstand natürlich besonders.
Bleibt vielleicht auch das Rückbesinnen auf die eigentlichen Werte, auf das Mit- und Füreinander? Auf das Sich-Stützen und Helfen?
Das Mit- und Füreinander waren auch vor der Pandemie für uns Schützen (Schützen schützen!) hohe Werte, die wir schon historisch bedingt (viele Schützenvereine finden ihren Ursprung in Bürgerwehren der vorigen Jahrhunderte wieder) in unseren Grundsätzen verankert haben.
Dies ist bei uns Schützen sogar oft in der Satzung verankert! Wir unterstützen Jugend und Gesellschaft in unseren Heimatstädten und Gemeinden!
Corona hat uns natürlich noch einmal vor besondere Herausforderungen gestellt, wenn es darum ging, die Gemeinschaft auch unter diesen Bedingungen zu erhalten. Zugegebenermaßen war dies nicht immer ganz so einfach. Ein kleines Beispiel für Unterstützung und gegenseitige Hilfe: Bei der Entwicklung neuer Kommunikationswege wurden Softwareinstallationen wie zum Beispiel ,Skype’ oder ,Teams’ immer wichtiger. Nicht jeder Schütze war hier sofort in der Lage, die technischen Anforderungen zur Installation und Bedienung zu erfüllen. Hier wurden Beschreibungen für die Zugkameraden geschrieben, Anleitungen erklärt und auch mal coronakonform Software installiert. Kameraden, die nicht vernetzt waren, eingebunden und informiert.
Sicher hat all dies dazu geführt, dass die Gemeinschaft oft stärker wurde und man sich wieder mehr auf Grundwerte besinnt! Beim heute immer mehr um sich greifenden Egoismus in der Gesellschaft, nicht selbstverständlich! Ich hoffe, wir können uns dieses neu erlernte Bewusstsein im Miteinander erhalten! Grundsätzlich habe ich aber hier im BSV Grevenbroich keine Sorge!
Die bisherigen Schützenfeste in diesem Jahr haben gezeigt, dass die Menschen feiern wollen. Aber auch dass die Zelte leerer blieben, weil viele immer noch Angst haben. Was erwarten Sie für Grevenbroich?
Zunächst einmal: Corona ist nicht weg, nur weil alle gerade so tun, als wenn wir hier schon durch die Pandemie durch sind! Der nahende Herbst wird zeigen, wo wir stehen und was uns die vergangenen zwei Jahre der Vorsorge gebracht haben.
Auch zeigen uns die jüngsten Monate, dass es sehr unterschiedliche Verläufe der Krankheit gibt, die nicht immer nur in der Symptomatik leicht verläuft!
Von daher kann ich jeden verstehen, der hier große Menschenansammlungen und die hieraus entstehende Nähe noch respektvoll versucht zu meiden. Das wird auch bei uns für Besucher- und Teilnehmerzahlen sorgen, die nicht mit denen des letzten Vor-Coronajahres 2019 Schritt halten können.
Jedoch glaube ich auch, dass der Wunsch nach dem gemeinsamen Erlebnis „Schützenfest“ im Freundes- und Familienkreis bei den meisten überwiegen wird.
Ja, ich erwarte hier eine gewisse „Anlaufkurve“ für das Jahr 2022!
Apropos andere Schützenfeste: In der Umgebung gibt es inzwischen einige „echte“ Schützenköniginnen, die selbst den Vogel von der Stange geschossen haben. Die holde Weiblichkeit ist also auch im rheinischen Sommerbrauchtum auf dem Vormarsch. Gilt das auch für den Bürger-Schützen-Verein Grevenbroich?
Grundsätzlich schließen wir schon traditionell niemanden aus unserem Vereinsleben aus. Jeder darf hier, solange satzungsgemäße Grundlagen für die Aufnahme erfüllt sind, Vereinsmitglied werden.
Wer sich die Mühe macht und die historischen Hintergründe des Vereines betrachtet, 1849, in einer Zeit, in der gesellschaftliche Unterschiede noch stark ausgeprägt waren und auch von vielen gelebt wurden, wird feststellen, dass der BSV Grevenbroich hier immer integrativ und demokratisch war, ein Verein tatsächlich für alle!
Der Anteil der weiblichen Vereinsmitglieder ist natürlich noch nicht relevant, aber durchweg zu verzeichnen. Darüber hinaus nehmen bereits seit vielen Jahren Damen in den Tambour-Corps oder auch in unserem „Amazonen-Corps“ an unseren Umzügen aktiv teil.
Sobald hier aus dem Entscheidungsgremium des Vereines, der Mitgliederversammlung – hier können übrigens alle Vereinsmitglieder teilnehmen, ob aktiv oder passiv, männlich oder weiblich – mehrheitlich der Wunsch an uns als Vorstand herangetragen wird, hier satzungsgemäße Änderungen durchzuführen, ist es unsere Aufgabe, dies zu prüfen und die Umsetzung zu ermöglichen.
Hier gibt es soweit mir bekannt, bisher keinerlei Motivation.
Wo muss der BSV Ihrer Meinung nach traditionell bleiben? Und wo muss er sich als modern erweisen?
Schwierige Frage und hier gibt es sicher auch einige unterschiedliche Meinungen. Wie in vielen anderen Fällen passt hier natürlich zunächst einmal der Spruch: Tradition bedeutet nicht die Asche bewahren, sondern das Feuer weiter geben!
Wichtig ist es natürlich für mich, unsere Wurzeln und auch diejenigen, die unseren Verein in den vergangenen fast 173 Jahren geprägt und erhalten haben, nicht zu vergessen und die hier entwickelten traditionellen Abläufe und Werte im Wesentlichen zu bewahren und zu schützen!
Aber die Zeiten und somit auch die Anforderungen an unser Vereinsleben ändern sich! Das ist nichts Neues, wird nur manchmal vergessen! Gut gefällt mir hier vor dem Hintergrund der Zeit das Zitat von Sokrates (470 bis 399 vor Christus): „Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“ Hier merkt dann schnell jeder, das war offensichtlich immer schon so und wird sich vermutlich auch nicht ändern! Nur eben ändern sich die Zeiten und damit die Vorstellungen!
Und darum geht es eigentlich! Mit Fingerspitzengefühl die Werte mitnehmen, aber auch das Feuer, welches in uns für unseren Verein brennt, an die nächste Generation weiter geben!
Immer wieder die Bereitschaft zu zeigen, unsere Abläufe und Inhalte zu prüfen und gegebenenfalls an das Zeitgeschehen anzupassen. Die jungen und jüngeren Schützen mitzunehmen, aber auch den erfahrenen Schützen zuzuhören und den Verein mit allen gemeinsam zu entwickeln.
Das Interview führte Gerhard P. Müller.