Im Präsidenten-Interview: Tradition und Moderne?
Neukirchen · Man kennt ihn vor allem als engagierten Chef der CDU-Ratsfraktion, aber auch als überzeugten Neukirchener. Seit diesem Sommer ist Wolfgang Kaiser nun auch Präsident des örtlichen Bürger-Schützen-Vereins. Jetzt stellte er sich dem Erft-Kurier-Interview.
Was waren für Sie die entscheidenden Beweggründe, sich dem BSV als Präsident zur Verfügung zu stellen?
Seit frühester Jugendzeit habe ich mich ehrenamtlich in diversen Vereinen engagiert, auch im BSV bin ich seit Jahren persönlich im Vorstand oder über meinen Schützenzug in die Vereinsarbeit eingebunden. Als wir vor zwei Jahren keinen Vizepräsidenten fanden, habe ich meine mir lieb gewordene Funktion als Schießmeister für dieses Amt drangegeben.
Mit der wiederum neuen Situation zum Jahresanfang musste ich nicht lange überlegen, denn für mich war es eine Selbstverständlichkeit dem Verein in einer Notsituation zu helfen. Nach dem Schützenfest im Mai bin ich von vielen Personen darauf angesprochen worden, weiterzumachen und aufgrund meiner langjährigen Zugehörigkeit und Erfahrung diese Funktion für die nächsten Jahre zu übernehmen.
Ich musste aber nicht lange überredet werden, denn es gibt einen wichtigen anderen Grund: Das Schützenwesen und auch diese Verantwortung machen mir sehr viel Spaß, ob auf dem eigenen Schützenfest oder im Rahmen der Repräsentation. Ich kenne viele Leute und trinke gerne mit diesen ein Bier.
Und meine Ehefrau Annegret unterstützt mich dabei, ohne diesen Beistand würde es nicht gehen.
Sie blicken auf 45 Schützenjahre zurück. Wie haben sich in dieser Zeit das „rheinische Sommerbrauchtum“ und der BSV Neukirchen verändert? Was sind die aktuellen, neuen Herausforderungen?
Wie überall im wahren Leben bleibt die Zeit nicht stehen, und das ist gut so, denn Stillstand ist Rückschritt. Auch Schützenvereine sind stets einem Wandel unterlegen, waren sie für unsere Väter und Großväter neben dem Sportverein noch etwas Besonderes, so sind sie heute vielfach nur noch ein Verein von vielen.
Die Schnelllebigkeit, die Mobilität, das veränderte Berufsleben – nicht umsonst haben viele Vereine Probleme mit dem Nachwuchs. Diese Thematik, wie auch die veränderte Position der Frauen in unserer Gesellschaft, sorgt aktuell auch für viele Überlegungen in Sachen struktureller Veränderungen.
Aber eine Sache eint alle Schützen: Sie stehen für Begriffe wie Tradition, Brauchtum und Werte. In den nächsten Jahren müssen viele Schützenvereine ihren Weg finden, wir im BSV Neukirchen wollen Traditionen bewahren, dabei aber auch einen Weg mit kleinen Schritten der notwendigen Veränderungen gehen, und dabei blicke ich optimistisch nach vorne.
Was macht das Schützenfest in Neukirchen so besonders?
Klare Antwort: Die dörflichen Strukturen mit einer gewachsenen Dorf- und Schützengemeinschaft. So interessant wie ein großes Schützenfest am Beispiel Neuss oder Grevenbroich auch sein kann, so schön ist es aber in der Schützengemeinschaft auf den Dörfern und im Besonderen in Neukirchen.
Ob Alt- oder Neubürger, wir alle stehen an Schützenfest mit Familien und Freunden zusammen, nicht nur als eine Zuggemeinschaft, sondern als gesamte Schützengemeinschaft. Auch die befreundeten Schützenvereine kommen immer wieder gerne nach Neukirchen, um mit ihren Abordnungen mit uns zu feiern. Einfach nur schön!
Sie mussten in der Versammlung, in der Sie gewählt wurden, auch die Beiträge erhöhen. Was macht die Traditionspflege so teuer? Könnte „sparen“ auch bedeuten, dass – die gesamte Stadt betreffend – auf Dauer kleinere Schützenfeste mit größeren zusammengeführt werden?
Das Thema Beiträge wird von keinem Vorstand gerne auf eine Tagesordnung gesetzt, aber manchmal ist es unumgänglich. Der BSV Neukirchen ist Dank der Führung der vorangegangenen Jahrzehnte solide aufgestellt. Dennoch gehen alle Kosten nach oben, daran müssen auch wir uns anpassen.
Mit künftig 40 Euro Jahresbeitrag hat der BSV aber eine überschaubare Beitragshöhe. Alles wird teurer, die Spenden werden weniger.
Klassisch sind für die Schützenvereine die Musikkosten auf der Straße wie auch im Festzelt ein hoher Kostenblock. Die Corona bedingten Pandemiezeiten haben den Musikern und Schaustellern viel abverlangt, dass jetzt höhere Beiträge gefordert werden, ist aus meiner Sicht verständlich und sollte im Sinne einer Solidargemeinschaft auch mitgetragen werden.
Schützenwesen ist stets auch die Balance zwischen den „alten“ Traditionen und den „aktuellen“ Trends. Wie „modern“ sollte Ihr BSV sein (oder werden)?
Eine gute Frage, aber auch schwer zu beantworten. Persönlich sind für mich Traditionen wichtig. Seit 1860 gibt es unseren Bürger-Schützen-Verein. Man sollte nicht jedem Trend sofort folgen, aber der bereits erwähnte Wandel kann und wird auch für Neukirchen kommen. Deshalb müssen wir frühzeitig step by step daran arbeiten.
Diese letzte Frage muss sein: Was herausfordernder – den Neukirchener BSV oder die CDU-Ratsfraktion zu führen?
Mit einem Grinsen im Gesicht bewerte ich beide Ämter gleich wichtig, aber sie sind anders in ihren Herausforderungen. Der Traditionsverein mit rund 450 Schützen und einem Team an der Spitze fordert mich auch als Präsidenten, der Vorsitz einer Ratsfraktion ist mit viel weiter gefächerten Themenbereichen nicht vergleichbar.
Aber eins erfordern beide Ämter: manchmal muss man neben dem stetigen Blick nach vorne auch die Rolle eines Mediators übernehmen und mit vielen Personen reden. Und dabei hilft mir meine Bodenhaftung und mein Netzwerk.