Ein Jahr Krieg in der Ukraine Perspektiven für die Geflüchteten

Grevenbroich/Jüchen · Es ist ein trauriger Jahrestag: Am 24. Februar 2022 hat der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen. „Damit hat Putin nicht nur sein Nachbarland attackiert und das Völkerrecht gebrochen. Es ist auch ein Bruch der europäischen Friedensordnung, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt wurde“, betont Landrat Hans-Jürgen Petrauschke.

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Zugleich habe der Krieg unsagbares Leid über die Menschen gebracht und für eine immense Flüchtlingsbewegung gesorgt. „Der Rhein-Kreis setzt sich mit großer Tatkraft dafür ein, diesen Menschen zu helfen und ihnen eine Perspektive zu geben“, sagt Landrat Petrauschke weiter.

Diese Hilfe lässt sich in zwei Stufen gliedern. Erstens: die akute Soforthilfe für Menschen, die vor dem Krieg geflüchtet sind. Diese Soforthilfe schließt zum Beispiel die Erstunterbringung der Geflüchteten und den Erhalt einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis ein.

Zweitens: die begleitende Unterstützung. Hierbei erhalten die Geflüchteten umfassende Hilfen, sich in ihrer neuen Heimat zu integrieren und einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz sowie Wohnraum zu finden.

Viele aus der Ukraine geflüchtete Menschen haben den Wunsch, schnell eine Arbeit aufzunehmen und ihren Lebensunterhalt in Deutschland aus eigenen Kräften finanzieren zu können. Dabei unterstützt sie der Kreis in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter. „Von diesem guten Miteinander profitieren die Geflüchteten spürbar. Dem Rhein-Kreis ist es ein wichtiges Anliegen, den Schutz suchenden Menschen die Sicherheit zu geben, auch für längere Zeit hier in Deutschland bleiben zu können“, sagt Petrauschke. „Eine solch langfristige Perspektive ist auch deshalb wichtig, da niemand abschätzen kann, wie lange dieser furchtbare Krieg dauert.“

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke.

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Zudem stelle sich die Frage, wie viele der Geflüchteten nach einem Kriegsende in ihre teils völlig zerstörten Städte zurückkehren oder ob sie in Deutschland bleiben möchten. Dazu, den Menschen eine Perspektive zu geben, gehört neben Angeboten zum Erwerb der deutschen Sprache auch die passende Beschulung junger Geflüchteter im schulfähigen Alter. Dies sei eine wichtige Aufgabe auch für die Zukunft.

Hierbei hilft das „Kommunale Integrationszentrum“ (KI) des Rhein-Kreises in Zusammenarbeit und Abstimmung mit der Unteren und Oberen Schulaufsicht, der Fachstelle Integration des Schulamtes sowie den Schulverwaltungsämtern und Schulen im Rhein-Kreis.

Das „Kommunale Integrationszentrum“ bietet für geflüchtete und neu zugewanderte Kinder und deren Eltern die so genannte „Seiteneinsteigerberatung“ an. Ziel ist es, die Kinder an eine geeignete Schule zu vermitteln, um sie optimal zu fördern.

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine wurden bislang 1.109 ukrainische Kinder hierbei vom „Kommunalen Integrationszentrum“ unterstützt (Stand: 16. Februar).

Feldbetten und Schlafsäcke für die Ukraine-Flüchtlinge in Mikolow (von links): Landrat Hans-Jürgen Petrauschke, Kreisdirektor Dirk Brügge (rechts) und THW-Ortsbeauftragter Jürgen Diekmann mit Helfern des THW und von "Dachser".

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Die Gesamtzahl der durchgeführten Seiteneinsteigerberatungen aller zugewanderten Kinder unterschiedlicher Nationalität war dabei im Schuljahr 2021/2022 noch höher als während der starken Flüchtlingsbewegung im Schuljahr 2015/2016.

Darüber hinaus konnte das „Kommunale Integrationszentrum“ etliche ukrainische Sprachhelfer für den ehrenamtlichen Sprachhelferpool des KI gewinnen und schulen, die bereits viele Institutionen bei der einfachen Sprachmittlung unterstützen konnten.

Für junge Geflüchtete sind neben der Schule auch die Fragen nach Ausbildungsmöglichkeiten und Aussichten auf dem Arbeitsmarkt zentral. „Wir sind dankbar für das große Engagement der Unternehmen im Rhein-Kreis in diesem Bereich. Ausbildung und Arbeit sind wichtige Schlüssel bei der Integration sowie für ein selbstbestimmtes Leben“, erklärt der Landrat. „Gute Auszubildende beziehungsweise gute Arbeitskräfte sind darüber hinaus für die Unternehmen in unserer Region wichtig, um den jetzt schon spürbaren und weiter wachsenden Fachkräftebedarf zu decken.“

Das Engagement des Rhein-Kreises kommt bei den Geflüchteten an. Die Herausforderungen waren und sind groß – und werden durch das enge Zusammenspiel der Ämter mit umfangreichen, eng koordinierten Maßnahmen gemeistert.

Mit Blick auf die Bewältigung der ausländerrechtlichen Anforderungen wurde zusätzliches Personal eingestellt und in eigenen Räumlichkeiten im Kreishaus Grevenbroich eine Anlaufstelle für ukrainische Flüchtlinge geschaffen, die bereits Mitte April einsatzbereit war.

Bislang haben dort rund 2.300 Menschen vorgesprochen und eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Die Sonderabteilung des Kreisausländeramtes ist nach wie vor in Betrieb und nimmt sich weiterhin der geflüchteten Menschen an. Sie ist für die Geflüchteten eine wichtige Anlaufstelle, die Halt im neuen Alltag gibt.

Unbürokratisch und schnell erfolgte auch die erkennungsdienstliche Behandlung der Geflüchteten, die ausländerrechtlich vorgeschrieben ist. Mit vom Land gestellter Hardware wurden in einer Sonderaktion im Mai insgesamt rund 1.800 Menschen innerhalb kürzester Zeit registriert. „Damit war der Rhein-Kreis landesweit eine der schnellsten Ausländerbehörden in diesem Bereich“, betont Landrat Hans-Jürgen Petrauschke.

Wichtig für die Menschen sind zudem die unmittelbaren Hilfeleistungen, die der Rhein-Kreis nach Kriegsbeginn schnell auf den Weg gebracht hat. In der Turnhalle des BBZ Grevenbroich wurde zum Beispiel eine Unterbringungsmöglichkeit für Geflüchtete aufgebaut, die dann von der Stadt Grevenbroich betrieben worden ist.

Dabei waren die Erfahrungen des Kreises aus der Zeit der Flüchtlingswelle 2015 hilfreich. Innerhalb kürzester Zeit waren rund 300 Betten für eine Erstaufnahme verfügbar. Im ersten Schritt ist dies wichtig. „Aber eine Unterkunft in einer Sporthalle sollte keine Dauerlösung sein. Uns ist es ein Anliegen, dass die Geflüchteten adäquaten Wohnraum finden“, betont Petrauschke.

Auch hier leistet der Rhein-Kreis einen wichtigen Beitrag. Der Kreis ist als Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II für die Kosten der Unterkunft und Heizung von Leistungsempfängern zuständig. Für 2022 handelt sich dabei noch um Hartz-IV-Kosten, seit 1. Januar 2023 um das Bürgergeld.

Zum 1. Juni 2022 erfolgte der Rechtskreiswechsel der Geflüchteten aus der Ukraine vom Asylbewerberleistungsgesetz in das SGB II. Hierzu hat das Kreis-Sozialamt eine Vereinbarung zum Leistungsübergang zwischen den Kommunen und dem Jobcenter erarbeitet.

Der Anteil der Grundsicherung, die auf den Personenkreis der Ukraine-Flüchtlinge fällt, beträgt seit 1. Juni für das Jahr 2022 rund 2,5 Millionen Euro.

Zudem hat sich das Kreis-Sozialamt regelmäßig eng mit dem Kreis-Gesundheitsamt zum Thema Impfungen und mit der Ausländerbehörde zum Thema Aufenthaltsgenehmigungen ausgetauscht. Durch den Rhein-Kreis wurde ein aufsuchendes mobiles Impfangebot mit allen wichtigen Impfungen angeboten.

Seit März wurden durch Ärzte des Kreis-Gesundheitsamtes alle Geflüchteten, die in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht wurden und nicht bereits in einer Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) untersucht wurden, körperlich untersucht und bei einem Alter ab 15 Jahren geröntgt, um Tuberkulose auszuschließen.

Insgesamt waren dies 520 Personen über 14 Jahre. Kinder unter 15 Jahren wurden ebenfalls untersucht. Dabei wurde zum Ausschluss von Tuberkulose eine Blutabnahme vorgenommen.

Bei Kindern im schulpflichtigen Alter wurden zudem die erforderlichen Seiteneinsteigeruntersuchungen durchgeführt.

Der Rhein-Kreis richtet seinen Blick bei der Unterstützung der Ukraine-Flüchtlinge auch über die Kreisgrenzen hinaus. In den polnischen Partnerkreis Mikolów, in den viele Menschen aus der Ukraine vor den Kriegshandlungen geflüchtet sind, wurden zum Beispiel drei Hilfskonvois entsandt. „Es wurden unter anderem Feldbetten, Schlafsäcke, Isomatten, medizinisches Material, Spielzeug und Lebensmittel auf den Weg gebracht“, erklärt Landrat Hans-Jürgen Petrauschke.

In einem Dringlichkeitsbeschluss hatte der Kreistag 100.000 Euro für diesen Zweck freigegeben. Die schnelle Hilfe wurde möglich durch eine enge Zusammenarbeit mit der Spedition Dachser, dem Ortsverband Grevenbroich des Technischen Hilfswerks (THW) und dem Deutschen Roten Kreuz (DRK).

Auch die wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskrieges beschäftigen den Rhein-Kreis. Seit Sommer 2022 ging in Deutschland die Sorge um, dass die Drosselung der Gaslieferungen aus Russland zu Versorgungsengpässen im Winter führen könnte. Vom Innenministerium des Landes wurde selbst ein sogenannter Blackout, also ein flächendeckender Ausfall der Stromversorgung, als mögliches Krisenszenario befürchtet.

Für einen solchen Ernstfall hat der Rhein-Kreis umfangreiche Vorbereitungen getroffen. Dabei ging es unter anderem um eine enge Abstimmung mit den kreisangehörigen Kommunen und der Polizei im Rhein-Kreis. Ein zentraler Bestandteil der Vorbereitungen bestand in den Bereichen Aufrechterhaltung des Betriebes der Kreisleitstelle für Rettungsdienst und Feuerwehr, der Kommunikationsfähigkeit der Krisenstäbe, der Treibstoffversorgung, der Arbeitsfähigkeit von Einrichtungen und Diensten der kritischen Infrastruktur, aber auch auf der inhaltlichen Ebene wie beispielsweise der stationären und ambulanten Altenpflege.

Der Rhein-Kreis wird sein Engagement für die aus der Ukraine geflüchteten Menschen fortsetzen, so lange dies erforderlich ist. Zum traurigen Jahrestag des Beginns des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine bringt Landrat Hans-Jürgen Petrauschke seinen zentralen Wunsch auf den Punkt: „Wir hoffen mit allen Menschen, die vor dem Krieg und der Zerstörung aus der Ukraine geflohen sind und die oft nicht nur ihre Existenz, sondern auch geliebte Menschen verloren haben, vor allem Eines: dass dieser brutale Angriff ein Ende findet und es Frieden gibt.“

(-ekG.)