Beim vorzeitigen Kohle-Ausstieg könnte auch „Hydro“ einpacken

Grevenbroich · Anfang Dezember startet die nächste UN-Klimakonferenz in Katowice. Bis dahin soll die "Kohle-Kommission" der Bundesregierung unter Anderem festgelegt haben, wann genau sich die Bundesrepublik von der Braunkohleverstromung verabschiedet.

Schulterschluss mit den Kohle-Kumpeln: Viel Polit-Prominenz war bei der Demo am Mittwoch mit dabei: Im großen Bild erkennt man Heiner Küpper und Wolfgang Kaiser. Mit Ministerpräsident Armin Laschet trat auch Heike Troles an. Darunter Rainer Thiel und Kreisdirektor Dirk Brügge. Auch Harald Zillikens und Sascha Solbach waren vor Ort.

Foto: Fotos: Thiel, Troles, RKN

Es pressiert also. Und so machen Gegner wie Befürworter immer mehr Druck: 20.000 Kohle-Kumpel demonstrierten in Bergheim. Die Gegner organisieren ein weiteres, großes Protest-Camp. Dabei geht es schon lange nicht mehr um Argumente.

Was die Aufregung solle, ist so zum Beispiel in einem Kommentar zu lesen, zwei Drittel der RWE-Mitarbeiter würden in den kommenden zehn Jahren eh in Rente gehen, so dass der Wegfall dieser Jobs zu verkraften sei ...

Die Realität ist eine andere. Da gibt es Nachfolge-Generationen, die auch gerne in Lohn und Arbeit stehen wollen.

Und da gibt es Unternehmen, die sehr direkt am bezahlbaren Strom aus der Braunkohle-Grube hängen.

Das Ergebnis der TTR-Studie: So viele Unternehmen geraten beim vorzeitigen Ausstieg ins Trudeln.

Eine Studie der TTR hat ergeben, dass im Rhein-Kreis 300 Unternehmen "von der Verteuerung und der Instabilität des Stromes infolge des Kohleausstiegs betroffen" sind. Im gesamten Rheinland sind es knapp 3.000; noch nicht inbegriffen sind dabei Handwerker, Speditionen, Handel.

Das wohl am meisten betroffene Unternehmen: die "Hydro". Die hat ein Gutachten zum "Vertrauensschutz" erstellen lassen. Autor Dr. Klaus Stern war Professor an der Universität zu Köln; unter Anderem für Staats- und Verwaltungsrecht. Und er war 25 Jahre Richter am Landesverfassungsgericht in Münster.

"Leider werden die Interessen der Industrie — beispielsweise ,Hydro' — bisher nicht ausreichend berücksichtigt. Es geht in der aktuellen Diskussion in erster Linie um die Folgen und Lösungsmöglichkeiten für die RWE-Mitarbeiter und die Gemeinden rund um die Fördergebiete. Die Folgen der zwangsläufigen Energieverknappung für ,Hydro' und andere Industrieunternehmen werden bisher nicht ausreichend berücksichtigt", steht im Gutachten.

Und weiter schreibt Professor Stern: "Primär-Aluminiumherstellung und Recycling — brauchen eine störungsfreie permanente Energieversorgung (das ganze Jahr, jeden Tag, 24 Stunden). Auch die Walzwerke brauchen ständig Energie. Diese Energie muss einen wettbewerbsfähigen Preis haben. Denn wir konkurrieren mit Wettbewerbern in Ländern, in denen es keine Energiewende gibt — und dort ist der Strom billiger."

Mit anderen Worten: Ist die gesicherte und bezahlbare Stromversorgung für die "Hydro" nicht gegeben, müsste sich auch dieses Unternehmen rigoros nach neuen Standorten umsehen.

"Hydro" hat von Beginn an deutlich gemacht, "dass wir mit einem Ausstieg aus der Braunkohle 2045 leben können. Dieses Szenario ist für uns planbar. Wir haben genug Zeit, Lösungsmöglichkeiten zu durchdenken und unsere Produktion an eine andere Stromproduktion umzustellen. (...) Wir sind also nicht gegen einen Braunkohleausstieg bis 2045 wie bisher geplant, sind aber bei einem bisher undefinierten vorzeitigen Ausstieg nicht einbezogen und befürchten erhebliche Kostennachteile gegenüber dem internationalen Wettbewerb. Das ist maßgeblich!" Inklusive der Tochtergesellschaften wie "Alu-Norf" hat "Hydro" in Deutschland rund 8.000 Mitarbeiter. Und die sind nunmehr in Gefahr.

Und Professor Stern hat noch eine Botschaft: "Schon aus der Genehmigung zu ,Garzweiler II', erneuert durch die Leitentscheidung der Landesregierung aus 2016, ergeben sich Vertrauensregelungen und -Ansprüche die ,Hydro' dokumentiert hat." Mit anderen Worten: Da kämen Schadensersatzforderungen auf Land oder Republik zu.

Gerhard Müller

(Kurier-Verlag)