Kunst ohne Hintertüren Mundts archäologische Stein-Geheimnisse

Rommerskirchen · Ein Atlas, Computer, Stück Teppich, Fahrrad, USB-Kabel oder eine Arbeit in einer anderen. Würde man die Arbeit von Wilhelm Mundt beschreiben, dann wäre es vermutlich eine moderne Art und Weise der Entrümpelung.

Foto: Alina Gries

"Seit 1989 gibt es schon diese Klumpen hier", lacht der Bildhauer und streicht über einen seiner "Trashstones" im Atelier in Rommerskirchen. 680 hat er davon schon gemacht — und es werden immer mehr. Der größte trashige Stein von Mundt ist fast fünf Meter lang und im Privatbesitz in Süddeutschland. Doch ehe er sich seinen "Klumpen" widmete praktizierte er eine andere Art der Kunst. Die aber lässt sich nur auf Fotos erahnen, nachdem sie ihren Weg zur Müllverbrennung gefunden haben ...

"Mein Atelier damals befand sich auf einem Fabrikgelände und war ziemlich ,spooky‘. Wir hatten weder Wasser noch Strom und nur notdürftig ein paar Neonröhren befestigt. Wenn wir die Bohrmaschine benutzt haben, dann hat das Licht geflackert. Das war vor allem nachts sehr unheimlich", erinnert sich der 58-Jährige an sein erstes Atelier in Neuss, "eines Tages war einfach ein Loch in der Wand, weil ein Auto da durchgefahren ist. Oder die Tauben haben die Skulpturen vollgekackt."

Dann zog es ihn nach Jüchen — mit dem Biker-Club "Devil's Ducks" als Nachbar. Dann weiter nach Grevenbroich in eine ehemalige Gärtnerei, ehe es ihn seit nunmehr 20 Jahren nach Rommerskirchen verschlug. Von da aus pendelt Mundt zwischen Köln, seinem eigentlichen Wohnsitz, und Dresden, wo er seit acht Jahren an der "Hochschule für bildende Künste" unterrichtet.

Ein eher unscheinbar hölzernes Tor mit der Hausnummer 3 passt sich der sehr naturbelassenen Umgebung an. Mittendrin: Das Atelier von Wilhelm Mundt — eine eindrucksvolle Scheune, gefüllt mit Klumpen in allen möglichen Formen und Farben. Zwischendurch lugt ein "ugly potatohead" aus den Regalen hervor — eine andere Option der Kunst, die er betreibt: Puppenköpfe, bei denen die Augen rausstehen. Und auch seine Fotografien haben Mundts Überlegung nach eher weniger mit Steinen zu tun. "Ich habe den Stein fotografiert, aber wieder herausgearbeitet, sodass nur eine schwarze Hülle zurückbleibt, die aber erahnen lässt, dass es sich vielleicht doch um einen Stein handeln könnte", erklärt er seine Arbeit.

Doch eigentlich sind Steine sein zentrales Ding. Und obwohl er nur noch im Besitz weniger "Trashstones" ist und die anderen sich irgendwo auf der ganzen Welt befinden, hat Mundt Zweifel. "Man will immer erfolgreicher sein als jetzt", beschreibt er seine Gedanken, "Zweifel sind unvermeidbar. Die Angst sich mit seiner Kunst nur noch zu wiederholen ist immer da."

Doch seine "Klumpen" mögen vom Konzept her vielleicht ähnlich sein, sie verändern sich aber. "Es gibt manche, die sind rappelvoll, da habe ich viel Energie reingesteckt", so der Rommerskirchener und fügt später hinzu, "meine Arbeit resultiert aus der industriellen Entwicklung. Einem Gegensatz der vermeintlich genialen Formgebung, der ich ganz nüchtern eine Nummerierung verpasse." Und so wie sich die Industrie entwickelt, so tun es auch seine "Trashstones".

"Früher waren sie klumpiger, jetzt sind sie heftig komprimiert", erklärt er. Mit Materialien wie Aluminium und Kunststoff verarbeitet Mundt alle möglichen Dinge zu einem "Klumpen". Im Stein Nummer 49 zum Beispiel befindet sich das alte Fahrrad seines Sohnes. Nur ein Bierfass hat es bisher nicht in seine Steine geschafft. "Das liegt aber nicht daran, dass ich kein Bier mag", überdenkt er die Frage.

Mundts Arbeiten, die berühren. Sowohl körperlich als auch seelisch. Und niemand außer ihm weiß, was sich wirklich dort drin befindet. Teils wie ein archäologisches Geheimnis. "Im Leben gibt es immer eine Vorder- und Hintertüre. Bei meinen Arbeiten gibt es aber nur die Vordertüren, denn alles geht vorne rein", so der 58-jährige — und es bleibt!

Und wenn irgendwann der Augenblick seines letzten "Trashstones" gekommen ist, hat Mundt schon eine letzte Vision: "Ich könnte aus der Halle, meinem Atelier, einen großen Klumpen machen und den Moment stoppen, so wie ich mein erstes Atelier von heute auf morgen verlassen habe." Ein künstlerischer Kreis, der sich schließen würde und symbolisch sogar auf eine künstlerische Art und Wiese einen seiner Steine ergeben würde.