Politischer Frieden beim Spatenstich für neue Umgehung Für jedes Stück neue Straße gibt´s Obst- und Krabbelwiesen
Sinsteden · Wenn schwarze und rote Minister und Politiker sich fröhlich gegenseitig auf die Schulter klopfen, dann geht es — im Vorfeld von Wahlen — um die ganz bedeutsamen Projekte. In Sinsteden war das jetzt der Fall: Mit dem ersten Spatenstich zur Ortsumgehung der dortigen B 59 versuchten halt alle zu punkten ...
Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundes-Verkehrsministerium, lobte Landesverkehrsminister Michael Groschek. Der lobte Bundes-Gesundheitsminister Hermann Gröhe, der als Wahlkreis-Abgeordneter in Berlin Türen geöffnet hätte. Und alle drei strahlten mit der Mai-Sonne um die Wette.
Die "Macher" vor Ort — Bürgermeister Martin Mertens, Alt-Bürgermeister Albert Glöckner, Landrat Hans-Jürgen Petrauschke und Landtags-Abgeordneter Rainer Thiel — strahlten nicht weniger. Immerhin ist die Umgehungsstraße B 59 n, die nun um Sinsteden herum verlängert wird (die Fortführung um Allrath ist auch in der Planung), in der Tat segensreich: 2020 sollen 13.500 Fahrzeuge um den kleinen Ort herumfahren, während nur 700 noch auf der Alt-Trasse erwartet werden. "Sie werden in den ersten Tagen etwas vermissen ...", lachte Bomba in Richtung der zahlreichen Bürger, die zum Spatenstich gekommen waren, denen er versprach, "dass das Leben wieder mehr Qualität haben wird."
Voll im Wahlkampf-Modus war Michael Groschek, der heftig in Richtung "Grünen" wetterte: "Wir sind die Guten", rief er aus. Wer im Jahre 2017 Straßenbau als Frevel bezeichne, der habe keine Ahnung. Für die Sinstedener Umgehung würden 8,4 Hektar Fläche verbaut. Dafür müsse das Land aber 7,5 Hektar "Ausgleichsfläche" (Streuobstwiesen, Krabbelwiesen und so weiter) bereitstellen.
Groschek wies auf unterirdische "Verkehrsumleitungssysteme für Mäuse", auf Millionen-Investitionen für die Umsiedlung der "gemeinen Eidechse" — alles Dinge, die bei Bauprojekten in der Republik im Sinne des Naturschutzes erfolgen würden.
Sein Fazit: "Was für die gemeine Eidechse recht ist, muss auch für den Menschen billig sein." Und an anderer Stelle noch deutlicher: "Wenn wir das Land der rollenden und röhrenden Bagger sind, dann geht es uns gut."
Hinterher, bei den Vier-Augen-Gesprächen, brach die "ganz große Koalition" für die Umgehung, über die sich Gillbach-Bürgermeister Mertens sehr freute, ein wenig auseinander: Die einen erzählten, dass ohne eine Übertragungspanne der Landesregierung die Umgehung schon längst stehen könne.
Die anderen monierten, dass die alte Rüttgers-Regierung am Planungsstau bei "Straßen. NRW" aufgrund von Stellenstreichungen die alleinige Schuld trage. Wie auch immer — die Sinstedener Bürger können sich darauf freuen, dass ab 2018 sie von über 90 Prozent des heutigen Verkehrs befreit sein werden. Zugleich wird die Verbindung Köln — Venlo (entspricht einer alten Römerstraße!) noch schneller, Rommerskirchen "rückt noch mehr in den Mittelpunkt Europas", so wie es Mertens formulierte. Und die Natur profitiert auch.
Gerhard Müller