Die Top-Kurier Ortsvorstellung: Das sind jetzt unsere STADT-Teile Neuenhoven: Das Wallfahrtsörtchen in dem früher der Bär steppte
„Neuenhoven kommt direkt nach New York“, lacht Heinz Rütten. Gemeinsam mit Sohn und Schützenkönig Jürgen will er für die Top-Kurier-Ortsvorstellung einen Einblick in das kleine Wallfahrtsörtchen geben. „Highlight ist auf jeden Fall die Kirche“, weiß der gebürtige Neuenhovener daher auch aus eigener Erfahrung.
Neuenhoven. Seit mehr als 600 Jahren pilgern jährlich viele Menschen in das kleine Dörfchen. Grund sind die Heiligen 14 Nothelfer.
„Eine Woche lang wird diese Tradition gefeiert“, weiß Heinz Rütten, „vor meiner Zeit soll es sogar eine Kirmes auf der Festwiese gegeben haben.“ Das weiß auch Hausarzt Dr. med. Johannes Sieben, der seine Praxis unmittelbar neben der Kirche betreibt. In einer mehr als 130-jährigen Familiengeschichte ist das Anwesen schon in den Händen von Familie Sieben.
„Bevor meine Urgroßeltern das Anwesen hier gekauft haben, war es eine Brauerei mit dem Namen ,Müllenbroich‘“, erzählt Johannes Sieben, „meine Urgroßeltern wollten sich im Futter- und Getreidehandel erweitern und sind dann hierauf gestoßen.“
Um 1910 verwandelte sich die Brauerei schließlich in eine Gaststätte mit einem kleinen Saal (in Neuenhoven gab es mehrere Gaststätten). Im Flur hat es einen Metzger gegeben, denn Opa Sieben war auch Metzger sowie eine Waschküche, ein Räuchherhaus und ein Backhaus. Gleiches gilt für den Hof auf dem es zusätzlich noch ein Schlachthaus gab. „Wenn die Heiligen 14 Nothelfer gefeiert wurden, hatten meine Großeltern viel Stress“, weiß er aus Erzählungen, „jeden Tag hat es bis zu zehn Messen gegeben und die Leute sind massenhaft nach Neuenhoven gekommen.“ Gegenüber auf der Wiese war dann eine große Kirmes mit Buden, in denen Schnürsenkel oder Knöpfe verkauft wurden. Abends wurde das Tanzbein dann im großen Saal der Gaststätte geschwungen, in dem sonst auch Theaterstücke aufgeführt und sonstige Feste gefeiert wurden.
Bis Ende der 50er wurde das auf diese Weise so gefeiert. 1987 richtete Johannes Sieben dann seine Arztpraxis in der alten Scheune ein. „Seitdem ist das so und seitdem bleibt das auch so“, meint er.
Neben dem Dorftreffpunkt der Praxis, gilt die „St. Georg“-Kirche auch als Mittelpunkt von Neuenhoven. „Unmittelbar neben der Kirche befindet sich die gute Stube von Neuenhoven“, erzählt Rütten weiter, „in den 50ern haben Einwohner aus Schlich und Neuenhoven aus einer Eigeninitiative heraus das Jugendheim aufgebaut.“
Hier werden Veranstaltungen abgehalten sowie Chorproben und auch Beerdigungskaffees gehalten. Gegenüber der Kirche, in dem gelben Wohnhaus, hat es früher eine Schule gegeben.
„Hier bin ich noch zur Schule gegangen“, erinnert sich Heinz Rütten, „Anfang der 70er wurde die Schule jedoch geschlossen.“ Direkt dahinter, mit Blick auf das Ende der Straße, befindet sich ein auffälliges altes Fachwerkhaus. „Hier war die alte Dorfschmiede“, so Rütten weiter. Dabei war die Schmiede sogar über die Gemeindegrenzen hinaus bekannt: „Der Schmied galt als Kenner von Hufkrankheiten.“ Viele suchten hier um Rat. In Richtung Schlich geht es dann zum „Haus Neuenhoven“, eine alte, ehemalige Wasserburg. Vor 600 Jahren wurde sie das erste Mal erwähnt. Seit 160 Jahren befindet sich das Anwesen im Besitz der Familie Essers. Heute befindet sich hier ein Biobauernhof. Dabei war das Gut vermutlich auch Namensgeber des Ortes. Nach einer Überlieferung bezeichneten die Einwohner das Haus Neuenhoven als „nöje Huss“ (neues Haus) oder auch vom „nöje Hoff“ (neuen Hof).
Außerdem hat es in Neuenhoven neben der Metzgerei auch eine Bäckerei gegeben, ein Lebensmittelgeschäft und einen Kleiderladen an der Blumenstraße und bis Ende der 50er sogar einen Tante-Emma-Laden an der Lindenstraße. „Hier wurden Zucker, Erbsen und Linsen einzeln gekauft“, erinnert sich Rütten, „früher war das viel umweltfreundlicher. Mit der Schüssel bin ich rübergelaufen, um Sauerkraut zu holen.“
„Das Dorf, wie es heute dargestellt wird, ist vom Vereinsleben stark abhängig“, weiß Heinz Rütten. Seit 1959 gibt es die Dorfgemeinschaft, so dass Schlich und Neuenhoven gemeinsame Veranstaltungen stemmen können. „In Schlich gibt es sogar noch das Maibaumsetzen. Für Neuenhoven war die Resonanz zu schlecht“, bedauert Sohn Jürgen Rütten, der auch Kassierer der Dorfgemeinschaft ist.
Das liege auch an den vielen neuen Häusern, die im kleinen Wallfahrtsörtchen gebaut wurden. „Manche bringen sich einfach nicht ein. Als ich jugendlich gewesen bin, wusste ich, was der Nachbar gekocht hat. Heute bekommt man kaum noch etwas voneinander mit“, so Heinz Rütten weiter. Vor zwei Jahren kam dann die Idee eines Glühwein-Umtrunks. „Das wurde aber auch nicht angenommen“, schüttelt er den Kopf, „ich wünsche mir mehr Aktivität für das Dorf, wie das aussehen soll, weiß ich nicht. Die Dorfgemeinschaft darf nicht sterben.“
Alina Gries