Ein echtes Stück Dorf-Geschichte: Leben und Sammeln im Haus-Museum
Hochneukirch · „Eine Frau ging jeden Tag mit ihrem Hund spazieren, setzte sich immer auf meine Treppe. Auch an dem Tag als sie umsiedeln musste, saß sie da und hat geweint“, erinnert sich Inge Broska. Eine Erinnerung, die sie immer noch zutiefst berührt, musste sie doch selber umsiedeln. Erinnerungen, die sie bis heute in einem Hausmuseum festhält. Mit seinen Inhalten ist es ein Museum für Kultur, Alltag und Kunst aus der Zeit von Alt-Otzenrath.
Betritt man die Türschwelle des Hauses von Inge Broska und Hans-Jörg Tauchert, bemerkt man sofort: Das Haus ist bemerkenswert ungewöhnlich. Denn hier leben die beiden und führen ein Haus-Museum. In der Küche stapeln sich alte Küchen-Utensilien, an der Wand zur Treppe herauf hängen Zeichnungen von Inge Broska und vielen Kindern.
Sobald man nach unten Richtung Keller schaut, fallen sofort engelsgleiche Gips-Figuren auf. Im Keller selbst hat die Sammlerin ein kleines Scherbenmuseum aufgebaut, wo sich Bruchstücke von Alltagsgegenständen wie Tellern, Tassen und Schüsseln tummeln. Sobald es nach oben geht, begegnen einem immer mehr ausgefallenere Gegenstände, wie zum Beispiel Spitzen von den Helmen der Römer oder auch alte Formen der Zigarren-Fabrik, die früher einmal in Alt-Otzenrath gestanden hat.
Sogar eine Miniatur-Version ihres alten Hausmuseums in Alt-Otzenrath aus Pappe findet sich wieder.
Und doch hat jeder einzelne Gegenstand inmitten des vermeintlichen Chaos seinen eigenen Platz.
Die Sachen fand Inge Broska zwischen den Trümmern von Alt-Otzenrath, manche wurden ihr aber auch von Nachbarn oder Freunden geschenkt. Auf die Idee einer Sammlung kam die Otzenratherin schon als Kind – jedes noch so kleinste Teil bewahrte sie auf. Dann realisierte sie ihren Traum in Alt-Otzenrath. Doch als das Haus-Museum in Alt-Otzenrath dem Tagebau weichen musste, musste Briska ein neues Haus finden. Seit nunmehr 13 Jahren führt sie das neue Museum nun an der Hochstraße in Hochneukirch.
Broska war eine der letzten Einwohner Alt-Otzenraths, die i umsiedelen musste. Durch viel Einsatz hat sie das neue Haus bekommen, so dass sie ihre Idee eines Hausmuseums weiter fortführen konnte. „Meine Nachbarn waren am Anfang zwar ein bisschen traurig und vielleicht auch ein ganz kleines bisschen sauer, weil ich nicht mit nach Neu-Otzenrath, sondern nach Hochneukirch umgezogen bin. Aber im Großen und Ganzen bin ich glücklich, dass ich mein Hausmuseum hier fortführen kann“, lächelt sie.
Dabei sind viele Habseligkeiten, wie zum Beispiel ihr alter Schulrucksack oder ein alter Koffer einer jüdischen Frau, die aus dem dritten Reich geflohen war, mit ihr umgesiedelt.
Während das Haus vorher ein Jugendstilpfarrhaus aus dem Jahre 1903 gewesen ist, steht es nun unter Denkmalschutz. Das Museum zeigt in jedem Zimmer die passenden Alltagsgegenstände aus der Zeit, in der Alt-Otzenrath noch gestanden hat. Auch Bilder und Materialien von Broska selbst stehen in dem Hausmuseum. Dazu gehören zum Beispiel Bilder, die von ihrer Mutter fotografiert wurden. „Meine Mutter hatte viel Spaß beim Fotografieren und machte sehr gerne Fotos mit und von ihren Freunden.“
Sätze oder sogar Sprichwörter im „Utzerather Platt“ hat sie auf Schranktüren niedergeschrieben – diese wurden später in Büchern zu Alt-Otzenrath (Alltag im Rheinland 2017) mit aufgenommen. Auch der Geschichtskreis der Dorfgemeinschaft Otzenrath/Spenrath veröffentlichte ein Wörterbuch auf „Utzerather Platt“ mit Fotos aus dem Hausmuseum.
Außer den klassischen Museumszielen ist das Anliegen des Hausmuseums: „Sammeln, Bewahren, Dokumentieren, Zeigen, Informieren, Weitergeben auch ein lebendiges Museumsprogramm für die Region und darüber hinaus“, meint Inge Broska. Denn auch Aktionen für Kinder finden regelmäßig statt. Sie können dort zum Beispiel mit Gips alt aussehendes Porzellan herstellen.
Und damit alte Erinnerungen und Sammelstücke auch für die zukünftigen Generationen erhalten bleiben, ist Broska bereits auf der Suche nach einem Nachfolger.
„Ich wünsche mir finanzielle Unterstützung meiner Museumsarbeit und eine Dokumentation der verschiedenen Museumsbereiche in Buchform sowie die Erhaltung und Fortführung des Hausmuseums“, so Inge Broska.