Jeck in den Wahlkampf und Frohsinn bringen Bundestagskandidaten im Gespräch
Jüchen · Sie war einmal Karnevalsprinzessin, will vor allem Geld in die Kommunen bringen und kämpft nach dem Motto „Mitten im Leben“. Da wusste sie jedoch noch nicht, dass es eine gleichnamige RTL-Sendung gibt.
Nicole Specker von der SPD zeigt gerne Zähne. Sowohl mit ihrem Lachen als auch beim Wahlkampf.
„Viele Plakate werden weggerissen oder beschmiert. In Uerdingen hab ich auf dem Plakat einen Schnurrbart und im Ortsausgang einen Penis im Gesicht“, lacht die SPD-Bundestagskandidatin, „das ist bei allen gleich. Wenn uns das bei anderen Parteien aber auffällt, dann geben wir diesen Bescheid.“ Und das ist etwas, was der 47-Jährigen trotz Wahlkampf sehr am Herzen liegt: der Respekt. Nicht nur im Wahlkampf unter der Konkurrenz, sondern auch bei den Wahlkampf-Themen. Bei der Flüchtlingspolitik beispielsweise. „Wer sich nicht integrieren will, soll abgeschoben werden“, äußert sie sich dabei deutlich, „das ist vergleichbar mit einem Gast zu Hause. Benimmt er sich nicht, wird er wieder ausgeladen.“ Und da müsse mehr Geld in die Kommunen fließen. „Das sind schließlich die, die die Last haben“, sagt sie, „ich glaube aber auch, dass, wenn die Kriegshandlungen in Syrien beendet werden würden, viele wieder in ihre Heimat zurückkehren, um das Land wiederaufzubauen. Niemand verlässt gerne seine Heimat.“ Jedoch müsse ihrer Meinung nach auch klarer zwischen Einwanderung und dem Asylverfahren getrennt werden. „Es kann nicht sein, dass die, die in den Arbeitsmarkt integriert sind plötzlich abgelehnt werden“, kritisiert sie Merkels Flüchtlingspolitik. Die hat sie auch schon einmal persönlich getroffen, als sie mit ihrem Ehemann Nordrhein-Westfalen als Prinzenpaar vertreten durfte. „Das ist schon witzig, in welcher Montur man ihr gegenüber stand“, grinst sie. Und diesen Frohsinn des Karnevals will sie in die Kommunen verbreiten. Für Jüchen sei das vor allem die Anschlussbeschäftigungen nach dem Strukturwandel hinsichtlich des Braunkohletagesbaus, aber auch die Initiative eines Bürgerbusses. „Hier in Jüchen herrscht eine sehr ländliche Struktur, das weiß ich, weil ich selbst Familie in Bedburdyck habe. Wir benötigen mehr bezahlbare Mieten, weil gerade die älteren Menschen auf dem Land wohnen bleiben, während es die jüngeren in die Stadt zieht“, erklärt Specker. Aber auch der Breitbandausbau an Schulen und die Thematik Kita seien eine Herzensangelegenheit der Krefelderin sowie der gleiche Lohn für Frauen und Männer. „Frauen sollen die Chance bekommen, Arbeit und Familie zu vereinbaren“, so Specker und greift vorweg, „wenn man das mit einem Kuchen vergleiche, warum sollten Frauen das kleinere Stück bekommen?“
Und mit den Thematiken bleibt sie trotzdem ihrem Motto „Mitten im Leben“ treu. „Ich will immer am Menschen dran sein und ein offenes Ohr haben“, sagt sie. Dazu gehöre vor allem Vertrauen. „Man soll als Politiker nicht etwas versprechen, was man nicht halten kann“, so Specker, „keiner will belogen werden.“ Etwas, was sie auch von Kanzlerkandidat Martin Schulz erwartet. „Er ist weltgewandt, humorvoll und vernetzt denkend“, gibt sie zuvor nach kurzem Überlegen zu. „Humorvoll ist für einen Bundeskanzler nicht so wichtig. Merkel ist schließlich auch keine Lachbombe.“ Und hält Schulz nach wie vor als besten Kanzlerkandidaten. „Der Schulz-Hype war gut und hat dafür gesorgt, dass vor allem viele junge Menschen der SPD beitreten“, gibt Specker zu Beginn des Interviews an, „nach Trump und dem Brexit brauchen wir eine starke Stimme für Europa.“ Dabei fügt sie später noch hinzu: „Berlin braucht mehr Rheinland und die Mentalität aus dieser Region.“ Zum Thema Koalition gibt sie eine klare Antwort. „Die wird es auf keinen Fall mit der Afd geben“, sagt sie scharf, „dann geht es bei der Wahl erst einmal darum, den Bären zu töten, ehe man ihn verteilt. Eine große Koalition halte ich aber für schwierig. Dann geht es aber erst einmal um die Themen und weniger um die Parteien.“ Specker selbst kämpft um das Direktmandat in ihrem Wahlkreis. „Ich stehe auf Listenplatz 28, also steht alles im Bereich des Möglichen.“ Und dann wolle sie sich im Bundestag gerne um Arbeit, Rente und Bildung kümmern. „Ich würde auch gerne im Sozial-Ausschuss sitzen, aber das will jeder Sozialdemokrat“, grinst sie. Auch die Digitalisierung sei ihr wichtig. „Der Unterricht soll nicht nach preußischem Vorbild ablaufen“, meint sie als Mutter eines 18-jährigen Sohnes.
Alina Gries