Wie schlau sind Gratis-Busse wirklich? Freifahrtscheine für den Feierabendmarkt

Grevenbroich · Wenn von Samstag an kostenlose Bus-Tickets ausgegeben werden, die am 20. September und am 4. Oktober passend zu den beiden letzten Feierabendmärkten des Jahres in der Wabe 61 in der Zeit von 16 bis 23 Uhr gelten, dann steckt da ein großer Plan hinter, dessen Realisierung aber noch in den Sternen steht ...

Claus Schäfer und Klaus Krützen werben für Freifahrten am kommenden Mittwoch.

Foto: Foto: Sturm

Stadt und Händlerschaft haben sich zusammengetan, um diese kostenlosen Bus-Tickets im Umfeld der beiden letzten Feierabendmärkte möglich zu machen. Die Sparkasse, der Montanushof, die Erft-Siedlungsgenossenschaft und „Optik Leven“ sowie der „Werbering“ haben die Kosten (je Mittwoch 1.500 Euro) gemeinsam gestemmt.

Die Bus-Betreiber (Rheinlandbus und VRR) haben übrigens nur Bedenken gesehen und darauf bestanden, dass – aus „versicherungsrechtlichen Gründen“ – Papier-Fahrscheine ausgegeben werden, die zur kostenlosen Fahrt berechtigen. Und Heiner Schnorrenberg, Chef des „Werberings“, hat zudem nachgerechnet, dass die von den Unternehmen erhobenen Erstattungen „im oberen Bereich berechnet“ worden seien.

Folge ist, dass seit Samstag die „Freifahrtscheine“ in Papierform bei „Optik Leven“, bei „Lederwaren Schnorrenberg“ oder am Info-Point im Montanushof abgeholt werden können. 300 Stück liegen insgesamt bereit.

Mit anderen Worten: Wer an einem der beiden Mittwoche für „umme“ per Bus in die Stadt fahren will, muss vorher schon mal dorthin, um sich ein Ticket (Ausgabe nur in „haushaltsüblichen Mengen“) zu sichern.

Sowohl Stadt als auch Händlerschaft zeigten sich bei der Pressekonferenz am Donnerstag nicht komplett glücklich mit dem Verfahren. „Aber das ist ja nur ein allererster Aufschlag“, so Bürgermeister Klaus Krützen, der auf die „große Idee“ hinter dem jetzigen Versuch wies.

Genau da kommt Blogger Claus Schäfer von der Initiative „SchlauBus“ ins Spiel, der kostenloses Busfahren in die Stadt Grevenbroich grundsätzlich fordert. Dass das praktikabel sei, würden Städte wie Tallinn, Amsterdam und Kopenhagen nachhaltig beweisen. Gefunden hat er die Idee allerdings im belgischen Hasselt, wo schon vor vielen Jahren dieses kostenlose Busfahren in der Stadt etabliert worden sei.

Und das mit schier unglaublichen Folgen: „Der Gratis-Bus hat die Stadt wieder sozial gemacht“, so Schäfer. 70 Restaurants, Bars, Kneipen und Clubs seien dort neu entstanden. 600 neue Geschäfte hätten sich angesiedelt. 2.000 Arbeitsplätze seien entstanden. Die Einwohnerzahl von Hasselt sei von etwas über 60.000 auf nunmehr rund 70.000 gestiegen. Und auch die Steuereinnahmen der Stadt seien in dieser Zeit um 30 Prozent gestiegen.

Die Ursache sei dabei relativ einfach auszumachen: Die Bürger von Hasselt hätten schnell gesehen, dass sie beim kostenlosen Bus-System (Zehn- bis 15-Minuten-Taktung, Bushaltestellen maximal fünf Minuten Fußweg entfernt) auf das Privatauto verzichten konnten. „So blieben plötzlich 40 bis 50 Millionen Euro Kaufkraft übrig“, referierte Claus Schäfer. Dies Geld sei dann in der Stadt ausgegeben worden.

Mit der Folge, dass sich eine riesige, nahezu perfekte Einkaufslandschaft ergeben habe, die dann zum Beispiel auch ein großes Hotel angelockt habe, das nun mit Shopping-Touren nach Hasselt gut ausgelastet sei. „Warum sollte das – auf lange Sicht – nicht auch in Grevenbroich möglich sein?“, fragte Claus Schäfer. Dass es zahllose Bedenkenträger gebe, die sich – so Bürgermeister Krützen – auch hier prompt zu Wort melden würden, sei klar. Dennoch will er diese Idee (nach dem Mini-Testlauf rund um die beiden letzten Feierabendmärkte) im Planungs-Ausschuss intensiv beraten lassen.

Allerdings: Problematisch würde eine Umsetzung des „Gratis-Busses“ schon allein dadurch, dass in Grevenbroich fünf Gesellschaften/Unternehmen am öffentlichen Personennahverkehr beteiligt sind, die man natürlich alle überzeugen und dann auch unter einen Hut bekommen müsste.

Wie die aber auf den ersten, kleinen „Aufschlag“ reagiert haben, ist oben näher beschrieben.

Übrigens zahlt die Stadt über Umlagen heute 2,2 Millionen Euro für Busse und Bahnen. Und nach Schäfers Angaben ist der Anteil der ÖPNV-Kosten, der durch die Fahrpreise gedeckt wird, „verschwindend gering“.

Und noch eins: Der „Gratis-Bus“ fuhr 16 Jahre lang erfolgreich durch Hasselt, machte die Stadt groß. Inzwischen ist man dort allerdings von diesem Konzept abgewichen. Das kostenlose Ticket gibt es nur bis 18 und dann ab 65 Jahre wieder. Die dazwischen müssen mittlerweile bezahlen; 50 Cent pro Fahrt, wie in der Pressekonferenz mitgeteilt wurde.

Gerhard Müller

(Kurier-Verlag)