Welche Auswirkungen hat der Kohleausstieg auf das Ruhrgebiet wirklich?

Grevenbroich · Wer sich Sorgen um seinen Job und die wirtschaftliche Situation im Ruhrgebiet nach dem Kohleausstieg macht, sollte nicht zu schnell urteilen. Denn die bisherige Situation in den Städten des Ruhrgebiets zeigt, dass Arbeitslosigkeit nur in den seltensten Fällen die Folge war bzw. ist. Selbst, wenn es so weit kommt, tun sich durch staatliche Förderungen und komplette Kostenübernahmen Perspektiven auf, sich im Rahmen von Umschulungen beruflich neu zu definieren.

Kohle war gestern. Und was nun im Ruhrgebiet?

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Arbeitsplatzverlust? Fehlanzeige

Irrtum Nummer 1 vieler Behauptungen über die Zeit nach dem Kohleausstieg ist der Arbeitsplatzverlust. Tatsächlich mussten bisher kaum Personen ihren Arbeitsplatz räumen. Grund dafür ist, dass der Kohleausstieg nicht plötzlich erfolgt, sondern bereits 2007 eine beschlossene Sache war. Während einige Personen ihren Job trotz des Kohleausstiegs behalten konnten, wählten diejenigen, auf die dies nicht zutraf, den Weg einer Umschulung. Die wenigen Personen, die von einer Arbeitslosigkeit betroffen waren oder nach wie vor sind, können sich schnell Geld leihen, um den Zeitraum ohne Verdienst zu überbrücken und dann in einem neuen Job einzusteigen.

Personen, die ihren Arbeitsplatz behalten durften

Nach wie vor sind Arbeitskräfte aus dem Bergbau notwendig.

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Nur, weil auf den Kohleabbau hierzulande verzichtet wird, bedeutet dies nicht, dass es in gewissen Fachsegmenten nicht der Mitarbeiter bedarf. Ihren Arbeitsplatz ohne Befristung oder zumindest noch für mehrere Jahre behalten dürfen Personen, die folgenden Aufgaben nachgehen:

  • Belieferung mit Bergbautechnik: Im Ausland sind die deutschen Maschinen gefragt
  • Herstellung von Bergbautechnik
  • Abbau von Maschinen
  • Verfüllen der Schächte
  • Abpumpen von Wasser
  • Reinigung von Schadstoffen

Während im Bereich der Bergbautechnik Herstellung und Belieferung theoretisch unbegrenzt gefragt sein werden, werden die weiteren Pflichten und Arbeiten zumindest einigen Arbeitskräften zahlreiche Jahre noch reichlich zu tun geben.

Alternative Jobs für die anderen Arbeitskräfte

Die Personen, die ihren Arbeitsplatz im Kohleabbau aufgeben und sich beruflich neu orientieren mussten, haben dies in Form einer Umschulung geschafft. Eine Umschulung wird im Gegensatz zur ersten Ausbildung staatlich in vollem Umfang gefördert. Bei einer Arbeitslosigkeit werden die Kosten durch den Staat komplett übernommen. In diese Kostenübernahme können Lehrgangskosten, Fahrtkosten, Kosten für auswärtige Unterkünfte, Kinderbetreuungskosten und Lebenshaltungskosten hinein fallen. Einige der Beschäftigten haben sich bei einer Umschulung komplett neu erfunden und sind in fremde Branchen gegangen, weil sie im Kohleabbau ohnehin unzufrieden waren. Allem voran in Bereichen mit Arbeitskräftemangel, wie z. B. der Krankenpflege, sind neue Personen willkommen.

Erinnerungskultur bleibt

Das gesamte Ruhrgebiet hat sich einen Weg in die wirtschaftliche Weltgeschichte gebahnt. Bedingt durch das hohe Kohlevorkommen aus einer Zeit vor der Menschheit, ergaben sich durch Förderung der Kohlevorkommen mannigfaltige Perspektiven für den Handel mit anderen Nationen. So kam es schließlich dazu, dass beispielsweise die Stadt Essen zur größten Kohlestadt des europäischen Kontinents im 19. Jahrhundert wurde. Obwohl dort heute keine Kohle mehr abgebaut wird, sind die Zeugen der damaligen Zeit geblieben:

  • Zechen
  • Stahlwerke
  • Fabrikhallen
  • Halden

Einige wenige wurden abgebaut, der Großteil hingegen zu Spielstätten für Theater und Kunst umfunktioniert. Die Zeche Zollverein in Essen ist sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt worden und heutzutage eine Touristenattraktion mit stattfindenden Führungen.

In Grevenbroich selbst, der ehemaligen „Bundeshauptstadt der Energie“, rückt mit der Idee zu einem Rheingold-Museum die Erinnerungskultur ebenfalls in den Fokus. Das Rheingold-Museum soll an die Zeit vor dem Kohleausstieg erinnern, in der sich Grevenbroich durch das reichhaltige Vorkommen an Braunkohle einen Namen gemacht hatte. Nach wie vor ist hier die größte Braunkohlelagerstätte Europas anzutreffen. Die stattfindende Nutzung der Braunkohle in mehreren Kraftwerken beschert Grevenbroich jedoch negative Auszeichnungen; wie z. B. durch das Europäische Schadstoffemissionsregister zu einer der zehn dreckigsten Städte Europas.

Heute: Kreativität und grüne Landschaften etablieren sich

Die Städte Duisburg und Essen machen vor, wie eine Symbiose aus Industrie und Grün gelingt.

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Der Kohleausstieg hat im Ruhrgebiet so sehr wie in kaum einer anderen Umgebung dazu geführt, dass sich kreative Angebote hervorgetan und neue Landschaften gebildet haben. Vermehrt werden die Städte, die noch vor 20 Jahren zu den grauen Mäusen der Industrielandschaft gehörten, nun mit Auszeichnungen als „grüne Städte Europas“ für die Strukturwandel, die sie vollziehen, gelobt. Des Weiteren setzen die Städte sich mittlerweile selbst höchste Ambitionen, zur Klimaneutralität beizutragen und sich neu zu definieren.

Was an für den Kohleabbau notwendiger Infrastruktur nicht abgeschafft wurde, hat Platz gemacht für kreativen Zeitvertreib. Im vorigen Abschnitt wurde bereits die Umfunktionierung zu Spielstätten sowie Museen genannt. Doch auch außerhalb dieser bedeutenden Erinnerungskultur spiegelt sich die kreative Nutzung früherer Infrastruktur wider: In Duisburg beispielsweise wurde aus einem alten Gasometer das größte Tauchbecken Europas konstruiert. Mit vielen Millionen Litern Wasser aufgefüllt und künstlichen Riffen versehen, wird das Gasometer/Tauchbecken zu einem Zeitvertreib für Touristen sowie Einheimische.

Auch Landschaften entstehen. In Duisburg rankt sich das Grün z. B. an den alten Zechen und sonstigen Industriegebäuden entlang. In Essen bilden sich zunächst in zentraler Lage diverse Parks. Außerhalb des Zentrums treten in Essen zumindest immer mehr kleine Grünflächen zutage. Duisburg und Essen sind die Vorreiter, die zeigen, wie das Grau der Kohlezeit in ein Grün umgewandelt werden kann, das den heutigen Standards an Umweltfreundlichkeit entspricht und die schon immer gewünschte Ästhetik und Schönheit der Natur symbolisiert.

Fazit

Wer sich über die Industrialisierung in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert informiert, wird erfahren, dass die Kohleförderung im Ruhrgebiet massiv zum Wohlstand hierzulande beigetragen hat. Doch die Zeichen der Zeit stehen auf Wandel. In Grevenbroich ist dieser noch nicht überall angekommen, was sich aber in absehbarer Zukunft ändern wird. Essen und Duisburg als die großen Städte mit Pionierrolle machen es vor und zeigen, was auch in Grevenbroich möglich sein wird: Nach dem Kohleausstieg in gesicherten Verhältnissen in einer ansprechenden grünen Umgebung leben.