Wie ernst nehmen die Bürgermeister den Strukturwandel? Spannende Betriebe klopfen an, doch Land bremst Jüchen aus ..!
Grevenbroich · "Strukturwandel" ist seit geraumer Zeit ein Stichwort, das in allen politischen Sonntagsreden egal welcher Couleur immer auftaucht. Jetzt die Schalter für die "Zeit nach der Braunkohle" umlegen, darin sind sich alle einig.
Es wird viel geredet, Verbände und Zweckbünde werden etabliert. Doch was wird konkret getan? Immerhin beginnt für den Kraftwerksstandort Frimmersdorf die "Zeit nach der Braunkohle" schon 2021/22 ...
Der Erft-Kurier wollte es genau wissen. Am Rande der "polis Convention" in Meerbusch (eine bundesweite Messe für Stadt- und Immobilien-Entwicklung) fragte er bei den vier Bürgermeistern nach.
"Seit 2015 haben wir 500 neue Jobs nach Rommerskirchen holen können", machte Martin Mertens, Rathaus-Chef in Rommerskirchen, deutlich. Mit anderen Worten: Schon heute werden dem Strukturwandel mittelständische Unternehmensansiedlungen entgegengesetzt. Gleichzeitig regte man gemeinsam mit Bedburg die Bildung des "Rheinischen Sixpacks" (inklusive Bergheim, Elsdorf, Grevenbroich und Jüchen) an. So repräsentiere dieser Städtebund 200.000 Einwohner, bringe mehr "Gewicht" auf die Waage. Ganz aktuell hätten die Bezirks-Regierungen Köln und Düsseldorf signalisiert, sich der Forderung nach mehr Gewerbeflächen in der Region zu öffnen.
Für Grevenbroichs Bürgermeister Klaus Krützen gibt es zwei entscheidende Ansatzpunkte: Da das Frimmersdorfer Kraftwerk 2020/21 endgültig abgeschaltet wird, dränge man beim RWE auf Konzepte für die Zeit danach. Ab Mitte des Jahres soll es einen gemeinsamen Arbeitskreis geben, der "in einen Gedankenprozess einsteigen" soll. Eine neue Nutzung des Kraftwerksgeländes geht nur mit dem Besitzer, aber: "Logistik wäre zu wenig." Transport-Unternehmen boomten zwar, brächten aber zu wenig gut bezahlte Arbeitsplätze. Ihm schwebe da eher ein "Gründerzentrum" vor.
Auf der anderen Seite nimmt Krützen die Landes-Politik in die Pflicht: Die von drei Ministern kurz vor der Landtagswahl zugesagte finanzielle Unterstützung für das "Sixpack" müsse nun nach der Wahl auch von den neuen Ministern eingehalten werden, appellierte er an die Politik.
Zweigleisig fährt Harald Zillikens: Jüchen ist im "Sixpack", aber auch im "Planungsverband Garzweiler" aktiv. "Es geht darum, langfristig die Tagebauflächen für Wohnen und Arbeiten zu nutzen."
Nicht schnell genug geht es ihm mit dem interkommunalen Gewerbegebiet zwischen Jüchen und Grevenbroich voran. Da macht die Anbindung noch Probleme: Der von ihm favorisierte und planungsrechtlich schnell umsetzbare Kreisverkehr am Jüchener Ende der
A 540 wird vom Land nicht gewollt. Die jetzt in Rede stehende Anbindung über die L 116 dauere mehrere Jahre. Und das, obwohl es schon heute viele hochinteressante Anfragen nach dem Gelände gebe. Zillikens nennt konkret ein "produzierendes Unternehmen mit 350 Arbeitsplätzen. Hochspannend."
Diesen ansiedlungswilligen Unternehmen könne er nur ehrlich sagen, dass die Erschließung des Geländes derzeit nicht sichergestellt werden könne. Ob dadurch Interessenten verloren gehen würden, könne er noch nicht sagen.
Er ärgert sich dennoch eindeutig über die Verzögerung, weil das RWE (ist Partner in dem Gewerbegebiet) die Erschließungsstraße planen und bauen will. Und weil damit einer schnellen Realisierung eigentlich nichts im Wege stehen sollte.
Bedburgs BM Sascha Solbach verweist engagiert auf das "Sixpack": "Wir sind nicht der Speckgürtel von Köln, wir sind ,Sixpack'. Und wir haben mit unseren 200.000 Einwohnern Gewicht." Auch wenn es anfangs nicht so einfach gewesen sei, vor den früheren Konkurrenten "die Hosen runter zu lassen", habe sich eine vertrauensvolle Grundlage entwickelt für den Strukturwandel, der schon heute beginnen müsse ...
Gerhard Müller