Das Kurier-Interview mit Petra Schenke Warum die „Babyboomer“ in der Pflicht sind, sich endlich in Bewegung zu setzen
Grevenbroich/Neuss · „Wenn die Leute mich nach Berlin schicken, gehe ich da gerne hin. Und mache einen guten Job.“ Petra Schenke, heimische Bundestags-Kandidatin der „Grünen“, weiß natürlich, dass bei Listenplatz 49 die Wahrscheinlichkeit und die Umfragen dagegen sprechen.
Das stört sie aber nicht: „Ich gehe dahin, wo die Partei mich braucht“, postuliert Petra Schenke mit der gleichen Entschlossenheit. Dabei wirkt sie keineswegs wie eine typische „Grüne“, die Unternehmerin aus Reuschenberg.
Sie lacht und erzählt, dass ihre Tochter sie als „den größten Hippie“ beschreibt, den sie kenne. „Das muss innen drin sein. Das ,Grüne’ ist in meiner DNA“, strahlt die Kandidatin, die versuchen will, die Ideen der „Grünen“ in die Sprache der Geschäftsleute zu übersetzen.
Und dabei argumentiert sie gegen das Image der „Grünen“ als „Verbots-Partei“ an. Spricht gar auf der bundespolitischen Ebene von einer „Schlammschlacht“ gegen Annalena Baerbock und gegen ihre Partei.
Beispiel Fliegen: „Man kann von mir aus gerne für ein Wochenende nach Hawaii fliegen. Aber bitte klimafreundlich“, kommentiert sie überraschend. Und sie hängt an: „Reisen ist wunderbar. Es verbindet die Menschen. Wir müssen nur ein anderes Flugbenzin entwickeln.“
Erster Schritt müsse die Besteuerung des Kerosins sein, „damit es sich lohnt, einen anderen Treibstoff zu entwickeln, dass es sich für die Flugunternehmen lohnt, umweltfreundlicher zu werden.“ Es seien sowieso nicht die kleinen, wenig verdienenden Leute, die Vielflieger wären. Das seien vielmehr die Menschen der Babyboomer-Generation, die es sich jetzt gut gehen lassen wollten.
Und denen schreibt Petra Schenke einen Satz ins Poesie-Album: „Die Kinder sind in der Corona-Zeit zu Hause geblieben, um die Großeltern zu schützen. Und jetzt sagen sie denen: Helft uns die Welt zu retten. Wir haben gerade noch die Chance, was zu bewegen.“
Die Anforderungen, die sich in Wirtschaft und Technik stellen, vergleicht die „grüne“ Bundestags-Kandidaten mit denen, denen sich die Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg gegenüber sah. „Wir haben das schon mal geschafft“, ruft sie Politikern und Unternehmern aufmunternd zu.
Es müssten neue Technologien entwickelt werden, Entwicklungspotenzial genutzt werden. „Deutsche Maschinen werden gerne gekauft, weil man weiß, dass sie funktionieren“, so Schenke weiter. Die Unternehmen ständen bereit, würden an Veränderungen arbeiten. „Sie brauchen nur verlässliche Vorgaben.“ Und: Den Klimaschutz könne man nicht auf dem Rücken des einzelnen abladen. Er dürfe zudem nicht mit Verboten, sondern nur mit Anreizen betrieben werden.
Hier wird sie dann doch ganz Politikerin: „Wenn wir die Ziele der ,Grünen’ umsetzen könnten, dann ginge es uns gut. Wir werden aber mit CDU oder SPD um Kompromisse ringen müssen.“ Welche Koalition wäre Petra Schenke am liebsten? „Diejenige, die uns hilft, unser Land nach vorne zu bringen. Die Frage ist: Wer hat den Mut dazu?“
So gerne Petra Schenke über die Verknüpfung von Klimaschutz und technischem Fortschritt, von einer zügigen und vor allem zuverlässigen Bahn, von dem Passivhaus der Zukunft, das das e-Auto als Batterie nutzt, spricht, so vorsichtig formuliert sie, wenn es um ein anderes für die „Grünen“ oftmals als zentral angesehenes Thema geht. „Ich bin keine ausgesuchte Feministin“, betont sie und die Gender-Diskussion sei ein „heißes Terrain“.
Welcher Mann, so fragt sie, habe sich für die Krankenpflege entschieden, als nur der Begriff „Krankenschwester“ in den Köpfen gewesen sei? Oder sei Erzieher geworden, als nur von „Kindergärtnerinnen“ die Rede war. „Und welches Mädchen hätte sich vorstellen können, Bundeskanzlerin zu werden? Das hat Angela Merkel für uns geöffnet“, so die „Grüne“.
Zugleich konstatiert sie, dass das Pendel der Gender-Diskussion derzeit enorm in eine extreme Richtung ausschlage. Schenke zieht einen Vergleich: „Derzeit befindet sich das Pendel in der ,Pubertät’ dieser Geschichte.“ Die „Mainstream-Gesellschaft“ müsse man um Gelassenheit bitten, genauso wie die Eltern dem lauten Auftreten der Pubertierenden Zuhören und Verständnis entgegensetzen würden...
Gerhard P. Müller