Dritter Advent Ein adventlicher Gruß in schwierigen Zeiten
Grevembroich · Früher hätte man wahrscheinlich gesagt: „Da hilft nur noch beten!“. Ich sage heute: „Da hilft nur noch singen!“ Warum? Weil mich die Erkenntnis des französischen Musikers und Philosophen Vladimir Jankélévitch fasziniert: „Wo es an Worten fehlt, kann der Mensch nur noch singen“.
Der Blick in die Welt macht mich einfach sprachlos. Aber wenn mir auch die Worte fehlen, so bleibt mir doch die Stimme. Mit der Stimme kann ich meine Stimmung ausdrücken. Ich muss nicht alle Probleme besprechen, ich kann aber alles besingen: das Schöne und das Schwere. Als Mönch ist mir diese Praxis bestens vertraut, denn unser Gebetbuch ist zugleich ein Liederbuch. Die 150 Psalmengebete der Bibel sind Lieder – selbst wenn man sie nur spricht. Doch wenn ich sie durchs Singen (oder auch nur durchs Summen) zum Klingen bringe, verändern sie mich. Meine Stimme färbt sich plötzlich durch meine Gefühle und der Liedtext dringt in mein Denken ein. Singen verändert.
In diesen Wochen vor Weihnachten öffnen wir wieder den großen Musikschatz der Advents- und Weihnachtslieder. Sie besingen eine heile Welt, weil man diese unmöglich besprechen könnte. Schöne Reden oder erdachte Theorien zu einer heilen Welt haben sich nicht bewährt. Die Lieder aber bringen das Nachdenken zum Schweigen und die Sehnsucht zum Schwingen. Man kann sich anstecken lassen von den Melodien und Texten. Die alten Advents- und Weihnachtslieder sparen Leid und Zweifel nicht aus, aber die Melodie tröstet und öffnet den Blick zu einem Gott, der in unsere Welt kommt.
Diese Lieder zu hören und zu singen, tröstet in unserer schweren Zeit. In Gemeinschaft zu singen, verstärkt den Trost. Dann klingen die unterschiedlichen Stimmen zusammen und werden zu einem Chor. Die so entstehende Größe erschreckt oder erdrückt nicht, sondern sie lädt zum Mitmachen ein.
Je mehr wir das Leben besingen, desto tiefer werden wir es erkennen können. Diese Praxis löst nicht die großen Probleme der Welt, aber sie lässt uns auch nicht untergehen in einer Welt, die an vielen Stellen unheilbar krank scheint.