Just berät Prostituierte: „... da ist nicht alles Pretty-Woman!“
Grevenbroich · Magdalena Just hat einen ungewöhnlichen Job: Die Grevenbroicherin berät die Prostituierten im Rhein-Kreis und legt dabei viel Wert auf Aufklärung und besonders den Schutz der Männer und Frauen, die Sex gegen Geld anbieten.
Am 1. Juli 2017 ist das neue Prostituiertenschutzgesetz in Kraft getreten. Dies besagt unter anderem, dass sich Prostituierte mindestens einmal im Jahr einer Pflichtberatung unterziehen müssen. Als Magdalena Just 2017 aus der Elternzeit zurückkam, wurde sie beim Kreis mit genau dieser Aufgabe vertraut: „Ich bin ganz ehrlich, dass ich erst einmal schlucken musste. Das Thema war mir komplett fremd; ich hatte ja überhaupt keine Berührungspunkte zu diesem Bereich.“
Dennoch sagte die 31-Jährige zu. Und hat es nicht bereut: „Ich möchte die Arbeit mit den Männern und Frauen nicht mehr missen.“ Just setzt verschiedene Schwerpunkte in der Beratung: Fachlich klärt sie über Infektionskrankheiten, Kondompflicht, Intimhygiene und Verhütungsmittel auf. Auch die rechtliche Seite wird abgedeckt, wenn die junge Frau alles zu Krankenversicherung, Steuern oder die Aufgaben des Ordnungsamtes erklärt. Dazu kommt die soziale Komponente, denn viele der Prostituierten kommen aus dem Ausland, würden gerne einen Sprachkurs machen oder die Familie nach Deutschland holen. „Bei allen Punkten schaue ich individuell, wie die Beratung abläuft. Das macht es anstrengend, aber auch sehr reizvoll. Ich habe ganz unterschiedliche Menschen vor mir sitzen: Die einen erzählen direkt offen, andere sind schüchtern, manche weinen auch.“ So kommen schnell um die 75 Minuten für eine Beratung zusammen.
Mit dem Beratungsschein wird die Ausübung der Prostitution legal. Ab 21 Jahren ist die Beratung einmal im Jahr Pflicht, zwischen 18 und 21 Jahren alle sechs Monate. Just arbeitet mit Telefon-Dolmetschern zusammen, die sofort zugeschaltet werden können, denn die meisten Prostituierten stammen aus Rumänien, Bulgarien, Tschechien und Spanien. 500 Beratungen seit 2017 durfte Just schon anbieten, zehn Prozent davon fallen auf Männer ab. „Das sind nur die offiziellen Zahlen. Wie es bei der Dunkelziffer aussieht, können wir nur mutmaßen“, so die Beraterin.
So unterschiedlich die Menschen sind, die bei Just Beratung suchen, so unterschiedlich sind auch ihre Beweggründe, Sex gegen Bezahlung anzubieten. „Da musste ich tatsächlich umdenken. Ich hatte immer ein Bild vor Augen von Zuhältern und Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden. Natürlich gibt es so etwas auch, aber ich habe auch ganz oft Menschen vor mir sitzen, die den Job tatsächlich gerne machen. Da spielt das schnell verdiente Geld eine Rolle.“
Oft handelt es sich um „Saison-Arbeiter“, die nach Deutschland kommen, um schnell Geld zu haben, um die Familie in der Heimat zu ernähren, Schulden abzubauen oder auch schon mal eine große Anschaffung zu tätigen. Besonders der Escort-Bereich hat es vielen jungen Frauen angetan. Viele wittern das große Geld und wollen Teil der luxuriösen Welt werden: „Manche verlieben sich sogar in den Auftraggeber und träumen davon, dass sie glücklich werden.“ Dass das nicht passieren wird, gehört zur Aufklärung dazu: „Auch hier ist die Beratung wichtig, denn viele wissen gar nicht worauf sie sich einlassen. Es kann nicht jeder ,einfach so‘ mit einem Fremden schlafen. Das ist nicht alles Pretty-Woman… Da steht schnell ein alter ungepflegter Mann vor einer jungen Frau, der intime Leistungen möchte.“ Ein weiteres Problem des Milieus sind Drogen. Auch das merkt die 31-Jährige leider immer wieder: „Das hängt leider eng zusammen. Dann werden Drogen genommen, um nicht alles so nah an sich ran zu lassen.“ Die Drogen müssen finanziert werden, das geht am schnellsten durch Prostitution. Ein Teufelskreis.
Damit es gar nicht erst so weit kommen muss, versucht die Sozialpädagogin ein möglichst realistisches Bild von Prostitution in der Beratung zu vermitteln: „Ich habe auch oft Frauen hier, die ohne Schein wieder raus gehen, weil sie sich noch mal überlegen müssen, ob sie wirklich als Prostituierte arbeiten möchten. Es ist ein extrem harter Job, weil er auf die Psyche geht.“ Magdalena Just hat selbst gemerkt, dass auch sie von ihrer Arbeit profitiert: „Ich habe aufgehört in Schubladen zu denken. Ich hatte ja auch ein Bild vor Augen, aber das konnte ich ablegen. Ich bin in das Thema reingewachsen und gehe mittlerweile viel offener mit allem um. Ich war natürlich anfangs unsicher, aber ich hatte das Glück, dass meine ersten Beratungen mit sehr professionellen Sex-Arbeiterinnen waren und die mir sehr geholfen haben.“
Nicht immer kann die junge Frau das Gehörte im Büro lassen: „Manchmal beschäftigen mich die Schicksale, schließlich bin ich selbst Frau und Mutter.“ Und dennoch hat Just auch erkannt, wie wertvoll der Job der Prostituierten ist: „Es ist ein harter Job, aber es ist gut, dass es ihn gibt.“
Julia Schäfer