Wevelinghoven - Meine Gartenstadt Heimat, das sind Räume, in denen man sich wohlfühlt
Wevelinghoven · Seit über 30 Jahren entwickelt Grafiker und Gestalter Helmut Coenen Projekte für seine Heimatstadt Wevelinghoven und setzt sie mit der Unterstützung engagierter Mitstreiter um. Er entdeckt Orte, Objekte und Themen, die direkt vor seiner Tür liegen und dennoch von vielen Menschen übersehen werden. Seine Mission: Begegnungsstätten zu schaffen, die eine harmonische Verbindung zwischen Tradition und Moderne eingehen. Stefan Menciotti besuchte den kreativen Kopf in seinem Atelier an der Unterstraße.
„Bist Du es wirklich?!“, entfährt es Helmut Coenen beim Öffnen der Tür. Eine feste Umarmung, die aufrichtige Freude des Wiedersehens mit einem alten Kollegen. Geteilte Erinnerungen an die gemeinsame Zeit im Neusser Pressehaus. Gestern wie heute ist Helmut Coenen ein kreativer Geist, ein leidenschaftlicher Verfechter klaren Designs, einfacher Linien und Formen, ungewöhnlicher Materialien und dem Kontrast der Komplementärfarben. Ein nimmermüder Netzwerker, Initiator und Macher, der sich bei seiner Projektarbeit nicht in den Vordergrund stellt, sondern stets den Wert der Gemeinschaftsleistung betont.
In Wevelinghoven gibt es mittlerweile zahlreiche Projekte, die die Handschrift des Heimatfreundes tragen. Das „Alte Pastorat“, vor Jahren noch in einem ruinösen Zustand, erstrahlt heute mit dem Martinus-Forum in neuem Glanz. Coenen erkannte als Erster in einer Brache nicht nur das Juwel barocker Architektur aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, sondern dahinter auch die überaus spannende Geschichte eines kurz nach dem 30jährigen Krieg von zwei Pastoren (unterschiedlicher Konfessionen!) simultan genutzten Pfarrhauses. In verwirrenden Herrschafts- und Besitzverhältnissen lebten zwei damals verfeindete Parteien unfreiwillig unter einem Dach und teilten sich Arbeitsplatz und Einkommen. Getrennt von gegenseitigen Standpunkten und Überzeugungen, konfessionellen Gegensätze und Streitpunkten. Eine unfreiwillige Notwendigkeit zur Verständigung der Religionen. Ein Bild mit großer Symbolkraft für unsere heutige Zeit.
Durch das Engagement Coenens und seiner Mitstreiter vom Förderverein „St. Martinus“ wurde das älteste Gebäude Wevelinghovens vorbildlich saniert und als offene Begegnungsstätte konzipiert. Ein Haus für alle, ein lebendiger Ort für Glauben und Kultur, eine wirkungsvolle Symbiose aus erhaltener und neuer Gebäudesubstanz. Der regionaltypische Renaissancegiebel als hervorstechendes Merkmal des ältesten erhaltenen Wohnhauses auf Grevenbroicher Stadtgebiet. Etwa 3,5 Millionen Euro kosteten die aufwändigen Arbeiten am Objekt, das 350 Quadratmeter lichtdurchflutete Nutzfläche für Pfarrsaal, Jugendräume und Bibliothek bietet. „Die Einrichtung des Martinus Hauses musste durch Spenden finanziert werden“, erinnert sich Helmut Coenen. „Es gelang unserem Förderverein, innerhalb von fünf Jahren über 100.000 Euro einzusammeln. Private Spenden halfen uns dabei ebenso wie Fördermittel des Landes und der Stadt Grevenbroich. Für diese Unterstützung sind wir sehr dankbar.“
Ein „Haus für alle“ als zentraler, lebendiger und offener Treffpunkt. Hinter diesem Ansatz verbirgt sich die Überzeugung, dass der demographische Wandel spürbare Veränderungen für das künftige gesellschaftliche Leben im ländlichen Raum bringen werden. „Wir fragten uns seinerzeit: wie kann ein Miteinander der Generationen und Kulturen zukünftig räumlich gestaltet werden? Was macht das Dorf aus? Was ist seine Geschichte?“, erläutert Coenen. Viele Antworten darauf finden sich im baulichen Konzept des Forums wieder. Stets betont er bei seinen Ausführungen das „Wir“. Wohlwissend, dass Erfolge im Ehrenamt selten das Werk eines Einzelnen sind. Kerstin Buchholz vom Pfarrverein „St. Martinus“ ist eine solche wichtige Mitstreiterin.
Ein weiteres bemerkenswertes Projekt, das nur durch das Zusammenwirken vieler Köpfe und Hände gelingen konnte, war die Neugestaltung der ehemaligen Trauerhalle am Klosterweg. Im Jahr 2004 wurde sie mit Hilfe des Grenadierzugs „Fracksausen“ zum „DenkHaus“ umgestaltet. Das 30 Quadratmeter große Häuschen, nach über 40 Jahren des Leerstands in einem äußerst schlechten Zustand, gehörte früher zum ehemaligen „St. Josefs“-Krankenhaus, das 1977 abgerissen wurde. Coenen erkannte die Schönheit des klassizistischen Baus. Durch die handwerkliche Unterstützung vieler Helfer des Bürger-Schützen-Vereins konnte aus der maroden Abstellkammer wieder ein nutzbarer Raum geschaffen werden. Mit der Erft und der Burg Wevelinghoven im Rücken bekam die Halle ein neues Zuhause für Kunst, Lesungen und Heimatgeschichten. Eine weitere, vielfach beachtete Aktion, die mit Hilfe des Bürger-Schützenvereins umgesetzt werden konnte, war die Errichtung von neun Stelen aus Stahl zum 900jährigen Bestehen der Gartenstadt. Mit jedem dieser Kunstwerke, die für jeweils 100 Jahre Ortsgeschichte stehen, wird auf herausragende Ereignisse und einzigartige Symbole der Gartenstadt aufmerksam gemacht. Die Form der Kunstwerke stammt aus der Ideenschmiede von Helmut Coenen. Schmale Stelen, eine Anlehnung an die Palisaden, die der Stadt vor Jahrhunderten Schutz vor unliebsamen Eindringlingen boten. Zweieinhalb Zentimeter starker, unbehandelter Stahl wurde der Natur ausgesetzt, um möglichst schnell „alt“ auszusehen. Die vielbeachtete Aktion erzeugte ungewöhnliche Motive, die aus dem heutigen Stadtbild nicht mehr wegzudenken sind.
Ein weiterer, bevorstehender Höhepunkt steht kurz vor der Vollendung und wird spätestens im Mai dieses Jahres zu bewundern sein. Gemeinsam mit dem Verein zur Förderung der Kirchengebäude der Evangelischen Gemeinde Wevelinghoven entsteht hier der Kirchgarten für die Gartenstadt. Die Gartenarchitekten des Büros „gartenplus“ erstellten einen Gestaltungsplan, der seine schrittweise Umsetzung findet. Dem Förderverein war es bei diesem Projekt wichtig, dass mit der denkmalgeschützten Kirche und ihrem Umfeld ein besonderer Ort geschaffen wird. Eine Anlage, die für alle da ist und zum Verweilen einlädt. So wird die Kirche mit ihrem parkähnlichen Vorgarten eine schöne Ergänzung zum Martinus Forum. In den drei Bereichen „Entree“, „Ruhestätte“ und „Sitzplatz“ gibt es viele Möglichkeiten, Ruhe, Entschleunigung und Entspannung zu finden oder Mitmenschen zu begegnen. Jeder dieser Bereiche wird durch Hecken, Bäume und Beete eingefasst und sind über einen gut begehbaren Pflasterweg erschlossen. Heimische Bäume und Sträucher werden gepflanzt und bei der Pflasterung auf wasserdurchlässiges Material geachtet. Auch hier ist es die Arbeit eines Teams, allen voran Thomas Feinweber, Ursula Stegemann-Hirsch und Pfarrerin Christine Weber, die eine Umsetzung möglich machte.
„Nicht alles kann neugestaltet werden“, ist Helmut Coenen überzeugt. „Aber darin liegt auch eine große Chance. Die Verbindung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bringt die Seele eines Ortes zum Ausdruck. Und genau das wollen wir erreichen.“ Für das viel zitierte Schlüsselwort „Heimat“ zeichnet der Wevelinghovener abschließend ein klares Bild. „Heimat, das sind Räume, in denen man sich wohlfühlt. Schöne, vertraute Orte mit viel Energie. Aber diese Räume können höchst unterschiedlich bespielt werden. Das macht den besonderen Reiz aus. Die gelebte Vielfalt und die gegenseitige Toleranz sind wichtig. Dann ist Heimat nicht nur ein Ort, sondern auch ein verbindendes Gefühl.“