Kurier-Interview mit Hermann Gröhe Das Ziel: „Industrieland zu bleiben, aber dabei klimaneutral zu werden“
Grevenbroich/Neuss · Die SPD bescheinigt derzeit Hermann Gröhe immer wieder „eine respektvolle Arbeit“, um ihn damit aus seinem Amt als Bundestags-Abgeordneter quasi weg zu loben. Der Angesprochene lächelt: „Nach allen Kriterien bin ich noch viel zu jung für die Rente“, sagt er entschlossen.
Doch nicht nur Entschlossenheit, sondern auch Demut dokumentiert der 60-jährige CDU-Politiker bei seiner erneuten Kandidatur für den Bundestag: „Es gibt keine Erbhöfe in der Demokratie. Bei jeder Wahl muss das Vertrauen neu gewonnen werden.“ Entscheidender Faktor sei dabei die Ansprechbarkeit vor Ort. Deshalb sei er mit Blick auf den Wahltag „zuversichtlich. Mehr gehört sich auch nicht“, so der Politiker wörtlich.
Dabei hat Hermann Gröhe in Berlin schon zahlreiche Ämter – vom CDU-Generalsekretär bis zum Minister – bekleidet. War bei der vorigen Wahl gar nordrhein-westfälischer Spitzenkandidat. Wo nimmt er da die Motivation her, immer weiter zu machen? Sich in neue Aufgabe neu hineinzufinden? Er gehe jeden Tag „mit einem Fundament an Erfahrung, aber auch mit viel Neugier an die Arbeit“, seine Motivation erfahre er in schwierigen Zeiten durch die Menschen, für die er sich engagiere, macht Hermann Gröhe im Brustton der Überzeugung deutlich.
„Wir stehen in unserer Region vor dem größten Umbruch der Wirtschaft seit vielen Jahren“, macht er deutlich. Und er geht sogar noch einen Schritt weiter: „Ein Industrieland zu bleiben, aber dabei klimaneutral zu werden, ist eine Epochenentscheidung.“ So wie es im vorigen Jahrhundert mit der Idee der sozialen Marktwirtschaft gelungen sei, das Soziale in die Wirtschaft zu integrieren, müsse nun das Gleiche mit Nachhaltigkeit und Klimaneutralität gelingen.
„Der Klimaschutz muss sozial und wirtschaftlich bewältigt werden, auch damit international andere mitmachen und wir Nachahmer finden. Wenn wir das vor die Wand fahren, folgt uns keiner“, führt der TV-erfahrene Politiker aus. Und er spricht von einem „globalen Kraftakt“. Und davon, dass Mehreinnahmen (CO²-Handel) den Bürgern an anderer Stelle (Stromkosten) wieder zurückgegeben werden müssten. Schließlich mahnt der CDU-Mann: „Wir müssen verhindern, dass die Industrie auswandert in Länder mit geringeren Umweltanforderungen. Und wir müssen industriefähigen Strom in Deutschland erhalten.“
Hier im Rhein-Kreis beginne der Strukturwandel nicht erst irgendwann, sondern schon nächstes Jahr, wenn die alten Blöcke in Neurath abgeschaltet werden. „Da wird nichts auf die lange Bank geschoben“, betont Gröhe und wettert gegen die „fixierte Diskussion auf das letzte Datum“ des Braunkohle-Ausstiegs. Schon im nächsten Jahr müssten Unternehmen und Politik den betroffenen Mitarbeitern „gute Alternativen“ bieten.
In welcher Koalition sieht nun Hermann Gröhe die besten Chancen, diese „soziale Klima-Marktwirtschaft“ zu erfinden? „Ich will die stärkst mögliche CDU“, deklamiert er prompt. Zu den anderen Parteien sei die CDU „in unterschiedlicher Art und Weise“ verbunden. Über das „Pariser Abkommen“ gebe es zum Beispiel überhaupt keine Dissensen. „Koalitionsverhandlungen sind harte Arbeit, um aus unterschiedlichen Ansätzen Kompromisse zu machen“, das habe ihn die Vergangenheit gelehrt. AfD und „Linke“ schließt er dabei kategorisch aus. „Und die SPD wäre ja lieber links gestrickt“, teilt er genussvoll gegen die Konkurrenz aus.
„Olaf Scholz gibt den Vize-Kanzler, um von der Politik Angela Merkels zu profitieren. Gleichzeitig tritt das Willy-Brandt-Haus so auf, als ob die SPD in der Opposition wäre. Er wirbt als Vize-Kanzler für sich und seine SPD redet die gemeinsame Arbeit schlecht“, ereifert sich Gröhe über das, was er als aktuellen „Eiertanz“ bezeichnet.
Bei den Koalitionsverhandlungen setzt Hermann Gröhe übrigens auf seinen Kanzler-Kandidaten Armin Laschet: Der mache mit seiner Ein-Stimmen-Mehrheit im Düsseldorfer Landtag eine solid-erfolgreiche Arbeit und verstehe es dabei, bei wichtigen Projekten auch Stimmen aus der Opposition zu gewinnen.
Allerdings gibt Gröhe zu: „Die vergangenen Wochen hätten für Armin Laschet optimaler laufen können. Aber er wird an Zustimmung gewinnen.“ Denn am Ende gehe es um eine Richtungsentschdeidung: Mit den linken Parteien würden den Bürgern nur „mehr Schulden, mehr Steuern, mehr Verbote“ drohen. Und: „Ein unkontrolliertes Wischi-Waschi in der Sozialpolitik ist am Ende unsozial.“ -gpm.