Geisterfahrt über die A44n Zahme Rehe, wachender Bussard und Kohle
Jüchen · "Dass eine Autobahn komplett neu gebaut wird, ist in dieser Region sehr selten", erklärt Klaus Dahmen von "Straßen NRW". Dabei lenkt er den Geländewagen fernab vom Stau über den frischen Asphalt der A44n.
Außer Baustellenfahrzeugen ist hier noch nie jemand gefahren. Der Erft-Kurier durfte jetzt sogar eine Geisterfahrt über die Autobahn begleiten, die umringt ist von einzigartigen Naturflächen.
"80.000 Fahrzeuge fahren täglich über die A61, etwa 30.000 weniger sind es auf der A46", berichtet Dahmen. Auf der A44n hingegen ist es verdächtig ruhiger. Noch tingeln hier Bagger und andere Baustellenfahrzeuge umher. "Der Tagebau wandert wie ein Flügel", versucht Dahmen die Baumaßnahme des Projekts zu erklären. Denn während die ehemalige A44 vor elf Jahren abgebaggert wurde, wandert der Tagebau jetzt so weiter, dass die A61 weichen muss — zumindest das Teilstück zwischen den Anschlussstellen Wanlo und Jackerath. Eine neue Autobahn musste her und soll ab dem 1. Juli 2018 den Verkehr zwischen dem Autobahndreieck Holz und Autobahnkreuz in Fahrtrichtung Venlo und zwei Monate später auch den Verkehr Richtung Koblenz von der A61 auf die A44n leiten. "RWE ist dazu verpflichtet, die A61 wiederherzustellen", sagt Dahmen und fügt später hinzu, "2035 wird sie dann wieder gebaut." Die Geisterfahrt beginnt aber auf dem Teilstück der A46, das, im Rahmen der Baumaßnahmen der A44n, ebenfalls neu gebaut wird. "Wegen Querneigungssanierungen wird der Verkehr von einem Stück der A46, Richtung Düsseldorf in Höhe des Dreiecks Holz, dann auf das neue Teilstück geleitet", meint Dahmen. Ganz platt gesagt also: Die Autobahn wird saniert, damit das Wasser besser abläuft und die Tragfähigkeit erhöht wird. Ändern würde sich für die Autofahrer aber nichts. Dann lenkt Dahmen das Fahrzeug vorbei an grimmigen Blicke der Bauarbeiter. "Die finden es nie gut, wenn die Bauaufsicht einfach auftaucht", lacht er. Sechs Brücken werden insgesamt auf der A44n gebaut. Teilweise zur Nutzung von Landwirten, teilweise führen sie aber auch über die Bandsammeltrasse.
Die würde sich im Gegensatz zum Tagebau aber nicht mit fortbewegen. Ein recht spannender Anblick für die Autofahrer. Während jetzt noch für Fotos angehalten werden kann, wird das später nicht mehr möglich sein. "Der Mittelstreifen auf der Autobahn ist übrigens so breit, weil wir ohne Entwässerungsrohre arbeiten", berichtet Dahmen, "das bedeutet, das Wasser versickert einfach so im Kies im Mittelstreifen." Eine hochmoderne Technologie, die hier angewandt wird. Bei der Weiterfahrt werden Zäune außerhalb der Autobahn deutlich erkennbar. "Weil hier so viele Rehe leben, haben wir einen Wildschutzzaun auf beiden Seiten aufgebaut", sagt er, "es gibt hin und wieder einen Wilddurchlass für die Rehe, damit sie auf die andere Seite können." Quasi eine Unterführung exklusiv nur für das Wild. Und dann tritt Dahmen auf die Bremse. "Da sind sogar welche", ist er selbst begeistert und zückt zur selben Zeit wie die Reporterin die Kamera: Drei Rehe kauern in der Wiesenfläche und schauen verdutzt in die Richtung des Fahrzeuges, noch nicht wissend, dass es in weniger als einem Jahr schon sehr laut werden wird. "Der Zaun wird untenrum dichter, damit auch keine Kaninchen auf die Autobahn hoppeln", erklärt Dahmen weiter. Links und rechts sind dann auch Hochsitze zu erkennen, die ebenfalls neu errichtet wurden. "Dort wird der Wildbestand gehegt und gepflegt", sagt Dahmen.
Fortsetzung. Dann geht es immer weiter vorbei an weiteren Brücken, die gerade gebaut werden. "RWE bereitet sich schon auf das ,Klimacamp' vor", weiß er, "aber hier war vergangenes Jahr nicht viel. Das wird, denke ich, auch dieses Jahr so bleiben."
Während der Fahrt verweist er staunend auf ein Heer von Raben auf der anderen Seite der Autobahn. Auch Reporterin Alina Gries zeigt sich begeistert über so viel Natur in der Umgebung und zückt erneut die Kamera, um ein Bild von einem Bussard einzufangen — leider jedoch zu spät. "Wir liegen gut in der Zeit", erklärt Dahmen weiter, "abgerechnet wird zwar erst zum Schluss, aber 80 Prozent der neuen Autobahn sind schon fertig."
Dann nimmt er die Ausfahrt Jackerath, gekennzeichnet mit Pappe und pinker Aufschrift, schaltet das orangene Licht auf dem Fahrzeug ein und schlingelt sich zu den übrigen Autos wieder in den Verkehr. Von da aus geht es wieder zurück in die Heimat. Und obwohl die Autobahn A44n erst im nächsten Jahr in Betrieb genommen wird, wurden bereits jetzt schon die Schilder befestigt: A44/61 Richtung Koblenz/Aachen steht dort. Der Weg dorthin ist aber noch verbarrikadiert. "Ich bin schon ein bisschen stolz, dass die hängen", grinst Dahmen.
Der Bereich östlich der A44 werde verfüllt. Westlich der A61, Richtung Holzweiler und Kückoven, wird ein Restsee errichtet. "Die Leitungen vom Rhein aus werden schon gebaut", weiß Dahmen. Wie es dann künftig um die Autobahnen stehen soll, sei noch nicht bekannt. "Die Prognose für die A46 liegt bei 80.000 Fahrzeugen", weiß er. Die Überlegung über einen Ausbau der A46 auf sechs Streifen würde aber immer noch spekuliert werden.
"Der Bedarf ist da, aber vorerst würde dann eher die A52 dreispurig werden", so Dahmen. Und auch der Stummel am Autobahndreieck Holz würde nicht weiter verfolgt werden. "Die Autobahn würde sonst unter anderem am Schloss Rheydt vorbeiführen", verrät er.
Und auch für die Bürger gibt es die einzigartige Möglichkeit über die neue Autobahn zu fahren und zwar mit dem Rad, bei einer Fahrradtour am 1. September um 16.30 Uhr ab "Haus Katz" mit Bürgermeister Harald Zillikens.