Klingt leichter, als es ist Impfen in der Praxis: So ist es wirklich!

Neuenhoven · „Wir haben 48 Impfdosen für die vergangene Woche bestellt. Geliefert wurde keine Einzige. So viel also zu dem Thema ,Hausärzte impfen‘ und sorgen dafür, dass es schneller läuft“, ärgert sich Allgemeinmediziner Dr. Johannes Sieben. Denn dank der Corona-Impfungen läuft im Praxis-Alltag nichts mehr wie zuvor.

Dr. Johannes und Gabi Sieben mit einer leeren Impf-Spritze und den begehrten Impfpässen. 

Foto: Kurier-Verlag GmbH/Julia Schäfer

„Das Telefon steht nicht mehr still. Wir machen uns wirklich langsam Sorgen um unsere Mitarbeiterinnen, sie sind am Rande der Belastungsgrenze angekommen“, erklären Johannes und Gabi Sieben, die gemeinsam die Praxis betreiben. Denn dass die beiden beim Impfstart dabei sein wollten, war beiden von Anfang an klar. Was das aber bedeutete, entwickelte sich erst im Laufe der Zeit. „Wir erfahren erst donnerstags, wie viel Impfdosen wir wirklich bekommen. Das ist ein reines Glücksspiel, weil es fast immer weniger Impfdosen sind, als wir bestellt haben. Erst dann können wir ja Termine vereinbaren. Das bedeutet aber auch Mail-Adressen zu erfragen, um die Formulare zu versenden. Beziehungsweise die Unterlagen auszudrucken für die älteren Menschen, die keine E-Mail-Adresse haben“, berichtet das Ehepaar.

Die Nachfrage nach der Impfung sei ungebrochen groß und sorge leider auch oft für Impfneid: „Besonders seit mit Freiheiten für Geimpfte gewunken wird, gibt es noch mehr Anfragen. Leute, die seit 25 Jahren nicht bei uns waren, rufen genau so an, wie Leute, die in den Urlaub und dafür geimpft werden möchten. Es wird hinterfragt, weshalb denn der andere geimpft wird. ,Der hat doch nichts‘. Dazu die Unsicherheit der Menschen, weil sich ja ständig alles ändert.“ So versprach Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Anfang der Woche noch „Astra für alle“, aber eigentlich ist das doch für Menschen ab 60. „Das finde ich sehr fragwürdig, ob das juristisch stand halten würde. Hinterher hafte ich als Arzt“, gibt Sieben zu bedenken.

Schon seit der offizielle Impf-Start bei den Hausärzten im Gespräch war, steht das Telefon in der Praxis nicht mehr still. „Es ist schade, dass es auch Menschen gibt, die sich im Ton vergreifen. Kollegen haben schon aufgehört, die Corona-Schutz-Impfung in den Praxen anzubieten, weil alles rund um den Pieks kaum in den Alltag zu integrieren ist. Wir verstehen, dass die Situation angespannt ist, aber wir machen schon, was wir können! Zeit zum Durchatmen haben unsere Mitarbeiter nicht mehr“, so Dr. Sieben.

Denn wenn die Impfungen erledigt sind, ist die Arbeit nicht getan: Der Termin sowie die Bestellung für die Zweitimpfung müssen koordiniert werden. Außerdem müssen abends die erledigten Impfungen ans RKI gemeldet und die Verordnungen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) aktualisiert werden: „Denn die ändern sich gefühlt alle zwei Tage!“ Der Umgang mit dem hochempfindlichen Biontech erfordert zudem noch höchste Konzentration: „Während drumherum das Chaos ausbricht!“ Und dann gibt es ja auch noch alle anderen Krankheiten unabhängig von Corona. Gabi Sieben erklärt: „Da kommt im Moment alles viel zu kurz!“

Doch was wäre die Lösung: Zum einen Geduld bei den Patienten und zum anderen mehr Impfstoff. „Den Vorwurf muss sich die Regierung gefallen lassen. Bei uns läuft es schlecht, andere Länder waren viel besser organisiert.“ Dazu gibt der Mediziner zu bedenken, dass auch das Impfen der jungen Leute so schnell wie möglich passieren muss: „Die haben sich über ein Jahr eingeschränkt – auch für die ältere Generation. Die dürfen wir nicht weiter einsperren, sonst brechen sie aus. Dann lieber sicher mit Impfung.“

Johannes und Gabi Sieben geben mit ihrem Praxisteam ihr Bestes und wollen auch weiterhin mit ihrem Impf-Angebot dazu beitragen, dass wir schnell wieder mehr Normalität erlangen: „Dennoch war es uns ein Wunsch, einmal darauf hinzuweisen, dass es immer so schön von der weit entfernten Politik dargestellt wird, dass die Hausärzte impfen. Was aber wirklich vor Ort ist, ist nicht allen bekannt!“