Vom Ethnologie-Studium zur Medizin „Zustände wie bei uns vor hundert Jahren“

Grevenbroich · „Ich mache die ehrenamtliche Arbeit in Eritrea vor allem aus humanitären Gründen. Es macht mir Spaß, Hilfe zu leisten“, erzählt Dr. Edgar Harms. 23 Jahre lang war Harms Leiter des Brustzentrums im „St. Elisabeth“-Krankenhaus, Mitbegründer des Brustzentrums im Rhein-Kreis, lebte mit den Pueblo-Indianern in Nordamerika zusammen und leistet weiterhin Großartiges – gerade auch in Entwicklungsländern.

Dr. Harms ist bei seinen Patienten in Afrika sehr beliebt.

Foto: Dr. Harms

Seitdem Edgar Harms pensioniert ist, setzt er sich ehrenamtlich in Eritrea und Nepal ein. Mehrmals im Jahr operiert der Gynäkologe dort über Wochen entstellte oder auch krebskranke Menschen. Dabei kann der 70-Jährige mit jedem seiner Besuche, die medizinische Entwicklung in diesen Ländern weiterbringen.

Über sieben Kilogramm schwere Tumore, schmerzhafte Vernarbungen, entzündete Verstümmelungen und auch verbrannte Gesichter. Die Bilder, die Edgar Harms hier erlebt … dafür gibt es keinen Ausdruck, der das beschreiben würde. „Wenn ich drei Wochen vor Ort bin, kommen wöchentlich 60 Menschen zu mir, die Hilfe brauchen“, erzählt der 70-Jährige, „nur die Hälfte kann ich operieren. Bei den übrigen ist der Krebs so weit fortgeschritten, dass ich nichts mehr machen kann.“

Eine Chemo-Therapie, wie sie hierzulande bekannt ist, gibt es in Eritrea nicht. „Im Sudan existiert ein Krankenhaus, das eine Bestrahlung anbietet, allerdings können sich das nur die reichen Menschen leisten“, bedauert er die Situation vor Ort. Gerade in solchen Momenten merke er dann, wie gut es den Patienten eigentlich in Deutschland gehe.

Im afrikanischen Not-OP.

Foto: Dr. Harms

Denn auch in Bezug auf die Geburten in dem Land könne noch Einiges getan werden. So würden jährlich über 10.000 Kinder zur Welt kommen, vier Tot-Geburten gebe es aber täglich. „Ich war Geburtshelfer mit Leib und Seele. Hier nichts machen zu können, obwohl man die Babys hätte retten können, ist verdammt schwer“, überlegt Harms. Der Strom fällt immer wieder aus, eine Herzton-Überwachung würde nicht genutzt werden. „Die Zustände sind teilweise wie bei uns vor 100 Jahren“, bedauert er.

Er zeigt sich aber auch begeistert über das Engagement und den Ehrgeiz der jungen Leute vor Ort „Sie sind sehr geschickt und motiviert zu lernen“, weiß er, „es macht Sinn, sie anzuleiten.“ Sein Ziel: Hilfe zur Selbst-Hilfe. Schließlich soll langfristig die ärztliche Unterstützung durch eigene Leute gesichert werden ­– ein Projekt, das sich über die Organisation „Interplast“ in Nepal bewahrheiten konnte.

Auch hier war Edgar Harms für die plastische Chirurgie vor Ort. „Bei Erdstößen fallen beispielsweise die Stromkabel einfach herunter, das Ausmaß der Verletzungen ist verheerend“, erzählt er. Aber auch die Organe der Frauen verschieben sich durch das viele Laufen und schwere Heben, das sie auch unmittelbar nach der Geburt in Kauf nehmen. Ein furchtbares Bild, welche ärmlichen Verhältnissen hier herrschen, dass die Gesundheit der Menschen so sehr leidet.

Dabei konnte Professor Christian Gnoth aus dem „Kinderwunsch Zentrum Green IVF“ in Grevenbroich Harms für das Eritrea-Projekt gewinnen, das vom „Hammer Forum“ geleitet wird.

Außerdem ist Edgar Harms Gründungsmitglied der neu gegründeten Organisation„Met4a medical Education and training for Africa“. Auch hier ist Gnoth im Vorstand. „Unsere Unterstützung in Jemen musste beispielsweise aus politischen Gründen gestoppt werden“, weiß er um die Umstände in solchen Ländern.

In Eritrea hingegen wird die Hilfe der deutschen Ärzte geduldet. „Sie sind darauf angewiesen. Außerdem gibt es kaum ein sichereres Land in Afrika als Eritrea. Nur an den Grenzen befinden sich noch einige Minen aus dem Äthiopien-Krieg“, erzählt er. Erst im vergangenen Jahr wurde hier Frieden geschlossen.

Dabei schätze Harms vor allem auch die Gastfreundschaft und Zufriedenheiten des Volks. „Hier herrscht zwar ein totalitäres System, aber keine Gewalt. Die Menschen sind hier mit sehr wenig glücklich. Es macht mir Spaß, hier zu helfen. Ich selbst lerne auch noch sehr viel“, so Harms.

Dabei kommt sein Interesse für die Völkerkunde wieder zum Vorschein: „Kulturen haben mich schon immer interessiert. Wollte ich über eine etwas näher erfahren, bin ich einfach in das jeweilige Land gereist.“ Sogar mit Pueblo-Indianern hatte Harms damals in Nordamerika zusammengelebt sowie mit Indianern im Amazonas in Brasilien und mit Naturvölkern in Neu Guinea. „Das Urvolk in Südamerika stirbt an einfachen Krankheiten wie einer Grippe, die wir anschleppen. Für schmerzhafte Wunden wissen sie aber lokale Pflanzen bewusst einzusetzen“, beschreibt der Arzt das Wunder.

Und sein Ziel für die Zukunft? „Die Arbeit einige Jahre in der Ausbildungsfunktion weiterzumachen“, lächelt er abschließend.

(-agr.)