Im Interview: Christian Abels, Arbeiter für die Jugendlichen „Das wärmende Lagerfeuer mit Stockbrot und Kakao“
Grevenbroich · Christian Abels ist vor ein paar Jahren als Stadtjugendpfleger in die Grevenbroicher Verwaltung gekommen. Und von da an hat er die kommunale Jugendarbeit – unter Förderung seines damaligen Dezernenten Michael Heesch – komplett umgekrempelt und absolut modernisiert.
Abels hat sich dabei immer als Verfechter der Rechte der Kinder und Jugendlichen, vor allem derjenigen, die nicht unbedingt auf der Sonnenseite stehen, erwiesen.
Die Kinderrechte finden jetzt vielleicht doch Aufnahme ins Grundgesetz. Wie sehen Sie die Rechte der Kinder und Jugendlichen in Grevenbroich vertreten?
Es gibt erfreulicher Weise eine wachsende Zahl an Menschen, die für Kinder und Jugendliche ihre Stimme erheben – auch in Grevenbroich. Insbesondere die Pandemie zeigt aber, dass unser gemeinsames Ziel noch viel stärker lauten muss, junge Menschen zu befähigen, für sich selbst zu sprechen. Sie zu beteiligen, zu hören und ihnen eine starke Stimme zu geben, ist eine beständige Aufgabe für uns.
Wir reden schließlich von den zukünftigen Verantwortungsträgern unserer Gesellschaft. Die mögliche Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz kann ich daher nur begrüßen.
Was läuft in Sachen Kinder- und Jugendarbeit gut in Grevenbroich? Wo sind durch die Pandemie Lücken entstanden? Welche Angebote sollten unbedingt ergänzt werden?
Wir können sehr stolz sein auf ausgesprochen engagierte haupt- wie ehrenamtliche Akteurinnen in der Kinder- und Jugendarbeit. Ohne diese Motivation und das dahinter stehende überzeugte Handeln wäre sowohl unsere Stadt als auch die Jugendhilfelandschaft um einiges ärmer.
Insbesondere in der Pandemie ist es gelungen, auch neue Angebotsformen zu entwickeln und wo immer nötig „out of the box“ zu denken.
Besonders schmerzlich ist für Kinder und Jugendliche das Fehlen sozialer Kontakte: Keine große Sommerfreizeit, keine Wochenendausflüge, keine regelmäßigen Angebote im Jugendtreff um die Ecke. Eine noch stärkere Vernetzung und auch Bewerbung der Angebote kann hier behilflich sein.
Konkret in den Blick nehmen sollten wir aber auch die Infrastruktur für Kinder und Jugendliche. Einfache Zugänge zu den verschiedenen Maßnahmen, die Mobilmachung stationärer Angebotsformen („Jugendtreff on Tour“) sowie frei zugängliche Sport- und Freizeitflächen (Stichwort Jugendparks) sind hier besondere Anliegen, denen wir uns in den kommenden Jahren widmen sollten.
Zocken, chatten, tiktok´en… keine Jugend-Generation ist so wie die vorher. Welchen besonderen Herausforderungen müssen sich die heutigen Kids stellen? Und wie muss verständnisvolle „Jugend-Politik“ darauf eingehen?
Die digitale Prägung der jungen Generation hat zur Folge, dass Kommunikationswege schneller und kürzer geworden sind. Der Zugang zu sozialen Medien ist fast ausnahmslos bei allen jungen Menschen gegeben, wodurch enormer Druck entstehen kann. Die digitale Welt ist oft nicht mit der realen Welt gleichzusetzen – es kursieren
Fake-News, Leute zeigen nur das Beste aus ihrem Leben, müde Gesichter werden mit Filtern retuschiert und es wirkt, als hätte niemand Sorgen.
Die große Herausforderung besteht für junge Menschen darin, sich von dieser vermeintlich perfekten Welt nicht beeinflussen zu lassen und dabei zu differenzieren, was inspiriert und was womöglich triggern kann.
Seitens einer verständnisvollen Jugend-Politik muss hinsichtlich dieses Phänomens eine entsprechende Aufklärung geleistet werden, die nah an der Realität der Kinder und Jugendlichen ist. Dabei führt es nicht zum Erfolg, zu sagen, Social Media sei gefährlich und Zocken mache süchtig – es geht hier darum, einen sicheren Umgang mit diesen Medien zu schulen und Nutzungsgewohnheiten ernst zu nehmen. Dabei kann Politik sowie Beteiligung dafür sorgen, dass es nicht um Verbote geht, sondern um eine gesunde Nutzung mit gewissen Regeln.
Wagen wir einen Blick voraus: Wie denken Sie, wird Jugendarbeit in zehn, zwanzig Jahren aussehen? Geht dann alles nur noch digital und das „Lagerfeuer“ wird per YouTube hochgeladen?
Wir alle haben hautnah erleben dürfen, dass digitale Angebote Veranstaltungen in Präsenz nicht ersetzen können. Die sozialen Interaktionen und Verbindungen, die im „echten“ Leben entstehen, bleiben bei Zoom und Co. auf der Strecke. Die meisten Kinder und Jugendliche haben auch nicht den Wunsch nach digitalen Jugendtreffs oder ähnlichen Angeboten. In der Zukunft werden wir junge Menschen sicherlich immer mehr über die sozialen Medien erreichen. Vorstellbar ist auch, dass digitale Formen verstärkt bei Präsenzangeboten integriert werden. Die Kinder- und Jugendarbeit wird sich mit Sicherheit ändern und an die kommenden Generationen mit deren Wünschen, Interessen, Fragen und Problemen anpassen. Das Lagerfeuer bei „YouTube“ wird aber nicht das wärmende Lagerfeuer mit Stockbrot und Kakao ersetzen können. -gpm.