1a-Voraussetzungen – die „Braut“ muss nur hübsch gemacht werden

Grevenbroich · Rainer Thiel, Landtags-Abgeordneter aus dem Rhein-Kreis, bleibt mit seinem Partei-Vorsitzenden Sigmar Gabriel auf Distanz: „Die Klima-Abgabe muss weg“, unterstrich er jetzt bei einem Besuch in der Redaktion des Erft-Kurier.

Auch die Nachbesserungen würden nichts bringen: „Die Kraftwerksblöcke werden dadurch etwas weniger unwirtschaftlich, bleiben aber unwirtschaftlich.“

Wenn der Bundeswirtschaftsminister viele Millionen Tonnen CO² einsparen wolle, dann dürfe er nicht nur aufs Rheinische Revier zielen. „Auch der Wärmebereich oder die Automobil-Industrie haben Potenzial“, betont Thiel, der zugleich Fraktionsvorsitzender der SPD ist.

Interessant findet er zum Beispiel den Vorschlag der Bergbau-Gewerkschaft, alte Ölheizungen in Privathaushalten austauschen zu lassen. Das bringe direkte Einsparungserfolge und wirke zudem wie ein kleines Konjunkturprogramm, so Thiel.

Die perspektivische Frage, wie es in Frimmersdorf weitergehen soll, findet Rainer Thiel falsch gestellt. „Das ist ein Gewerbegebiet und das gehört jemanden“, macht er deutlich. Aufgabe der Politik sei es vielmehr, neue Fläche bereitzustellen.

Und da macht Thiel eine interessante Rechnung auf: Die umgesiedelten Ortschaften seien kompakter und zum Teil auch direkt angrenzend an bestehende Ort errichtet worden. Die vorgesehenen „Entwicklungsflächen“ seien zudem nicht „mitgenommen“ worden.

„Mehrere tausend Hektar sind damals verloren gegangen. Wir brauchen ein Stück dieser Flächen, um neue Ansätze entwickeln zu können“, argumentiert er.

Die Zahl der Arbeitsplätze, die in den kommenden Jahrzehnte in der Braunkohle verloren gehen werden, könne nur durch neue Industrieansiedlungen aufgefangen werden.

Rainer Thiel verweist da zum Beispiel auf die stoffliche Nutzung von CO². Eine Pilot-Anlage in Leverkusen (unter anderem ist da auch das RWE beteiligt) macht daraus mit Hilfe eines neuartigen Katalysators Schaumstoff. Eine größere Versuchsanlage soll jetzt in Dormagen entstehen.

„Wenn das Verfahren in industrielle Maßstäbe geht, dann sollte man dahingehen, wo auch CO² anfällt“, lautet das Thielsche Credo. Und die BoA-Blöcke werden – da ist sich der SPD-Politiker sicher – noch 2045 laufen.

„Wenn man neue Industrien heranholen will, dann muss man die Braut hübsch machen“, formuliert es Rainer Thiel. Und Grevenbroich habe „1a-Voraussetzungen“ wie die gemeinsamen Gewerbegebiete mit Jüchen und Rommerskirchen, die Landesentwicklungsfläche und die Infrastruktur (hier zum Beispiel das Schienennetz im Tagebau, das man später für neue Unternehmen nutzen könne).

„Grevenbroich hat aber auch eine sehr gut Schullandschaft. Die Stadt könnte so etwas wie ,Bildungsdienstleister’ für die gesamte Region werden“, überlegt er im Gespräch mit dem Erft-Kurier weiter.

Die Demografie werde nicht nur in Rommerskirchen und Jüchen zu Schulschließungen zwingen. „Und es wäre blöd, wenn wir zum Beispiel die Jüchener Kinder nach Mönchengladbach in die Schule gehen ließen.“

Und auch das Berufs-Bildungs-Zentrum könnte aufgepeppt werden: Hier können Ausbildungsgänge rund um Energiewesen angesiedelt, eine Zusammenarbeit mit der Forschungsanlage in Jülich angestoßen werden. „Grevenbroich als Klein-Athen“, lächelt Rainer Thiel.

Für die Bereitstellung der Flächen wäre der Regionalrat, für „Klein-Athen“ der Stadtrat zuständig.

„Aber das macht nur Sinn, wenn das Potenzial für diese Projekte geklärt ist“, so Thiel abschließend. Und das ginge nur in Zusammenarbeit mit dem „Innovationsraum Rheinisches Revier“.

(Kurier-Verlag)