Hochneukirchener Heimatgeschichte Als Öben die französische Flagge stahl und dann vor den Besatzern floh
Benedikt Obst muss selbst schmunzeln: „Zum ersten Mal hatte ich in diesem Jahr schon alles am Anfang des Jahres perfekt vorbereitet. Ich hätte nur noch Einladungen ausdrucken, die geplanten Veranstaltungen ankündigen müssen und hätte allem anderen spontan entgegen sehen können.“ Doch dann kam Corona und der komplette Jahresablauf des Heimatvereins Hochneukirch war „umsonst“. Doch die gewonnene Zeit haben die Mitglieder genutzt: Sie arbeiten aktuell an einem Buch über den Ort.
Hochneukirch. Verantwortlich dafür zeichnen sich André von Blumenthal und Isabelle Heidbüchel. Sie haben sich durch zahlreiche Kisten mit Bildern gewühlt, mit Zeitzeugen gesprochen, über „facebook“ nach weiteren Infos gesammelt und Schriftstücke sortiert. „Viele Infos, die wir hatten, waren zunächst einmal ohne Struktur. Das war schwer zu lesen und zu sortieren. Aber wir kommen gut voran und haben schon ein tolles Gerüst für das Buch“, freuen sich die beiden Vereinsmitglieder.
Ihnen war aufgefallen, dass es zwar ein Postkartenbuch über den Ort gibt, aber bisher keine vernünftige Chronik, so wie sie in vielen anderen Orten (mit Unterstützung der Stadt) herausgegeben wurde. Bis die Hochneukircher in „ihrem“ Buch schmökern können, wird allerdings noch Zeit vergehen: „Das kann schon noch zwei Jahre dauern. Wir müssen schauen, wann wir das Gefühl haben, dass wir soweit sind.“ Bis dahin sammeln Heidbüchel und von Blumenthal noch weitere Fotos, Texte, Zeitungsartikel, Filmaufnahmen, Exponate über den Ort. „Natürlich werden alle Originale zurück gegeben“, versprechen die Autoren. Wer Interessantes beisteuern kann, darf sich gerne unter 02164/92 29 88 5 melden.
Bei der Sichtung der bisherigen Infos kam dann auch der ein oder andere spannende Fakt über Hochneukirch raus. So gab es zum Beispiel ein Kino, die „Uhu-Lichtspiele“ an der Mühlenstraße. Anfang der 50er Jahre gründeten sich die „Filmfreunde Hochneukirch“; zunächst wurden privat Filme gemeinsam geschaut. Ab Mitte der 50er wurde mit Unterstützung des Bürgermeisters eine alte Gaststätte zum Kino umgebaut, das bis Ende der 70er Jahre betrieben als Programm-Kino betrieben wurde.
Eine weitere lustige Anekdote ist wohl die Geschichte rund um den Steigerturm. Auf Veranlassung von Fabrikbesitzer Peter Busch wurde 1895 auf dem Marktplatz ein acht Meter hoher Steigerturm aus Backsteinen mit Fahnenmast gebaut. Der Turm wurde für die Freiwillige Feuerwehr zu Übungszwecken errichtet. An der Südseite (Richtung Gartenstraße) befand sich eine Tür mit einer Eisenstiege nach oben. Unten waren Nischen eingelassen, in denen die Büsten von Kaiser Wilhelm I., Kaiser Friedrich III. standen. Die dritte Nische blieb leer, denn die Büste von Kaiser Wilhelm II. wurde nicht mehr aufgestellt.
Nach dem ersten Weltkrieg im Jahre 1918 hissten französische Besatzungstruppen ihre Trikolore auf dem Steigerturm und davor patrouillierte eine französische Wache. Bei einer Bierwette im Lokal Dederichs am Markt wurde eines Tages ausgeheckt, die französische Fahne vom Turm zu stehlen. Adam Öben schlich sich von hinten an den Steigerturm, kletterte unbemerkt am Blitzableiter hoch und holte die Fahne herunter. „Während in der Gaststätte Dederichs eine muntere Zecherei stattfand, wurde sie heimlich verbrannt. Als am nächsten Tag ihr Fehlen bemerkt wurde, fand man schnell heraus, wer der Übeltäter gewesen war. Eine sechs Mann starke französische Eskorte marschierte Richtung Rathausstraße, wo Adam Öben wohnte, um ihn festzunehmen. Aber der hatte es schon geahnt und sich der Festnahme entzogen. Acht Jahre lang blieb er verschwunden und erst als die Besatzungszeit zu Ende war, kehrte er nach Hochneukirch zurück“, erzählen die Mitglieder des Heimatvereins und geben damit einen Vorgeschmack auf ihr Werk.