„Wir werden Zelte aufstellen müssen. Irgendwann ist Ende im Gelände.“

Grevenbroich · Für Claus Ropertz, der im Rathaus die Flüchtlingshilfe verantwortet, kamen Zelte bisher eigentlich nicht Frage. Doch jetzt sieht auch er keinen anderen Ausweg: „Wir werden Zelte aufstellen müssen“, konstatiert er.

Hinter jedem Türchen verstecken sich eine Geschichte und ein Bild: Der Rhein-Kreis veröffentlicht in diesem Jahr zum zweiten Mal einen akustischen Adventskalender im Internet. 24 junge Autoren zwischen neun und 15 Jahren lesen ihre eigenen Adventsgeschichten vor. In diesem Jahr setzten sich die Schüler mit den Themen „Flüchtlinge in Deutschland“ und „Weihnachtsbräuche in anderen Ländern“, auseinander. Unter

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Und an anderer Stelle: „Das wird uns ja nicht alleine betreffen. Irgendwann ist Ende im Gelände.“

Das Verständnis der Bürger nimmt ab. „Es gibt teilweise sehr konservative Meinungen zu diesem Thema“, formuliert Claus Ropertz vorsichtig. Und es gibt viele betroffene Grevenbroicher: JuKS-Kurse, die ersatzlos gestrichen werden. Komplett organisierte Hochzeiten, die im „Alten Schloss“ abgeblasen werden müssen. Freie Wohnungen, die immer weniger werden. Eltern, die sich nicht nur um die ausfallenden Schulstunden ihrer Sprösslinge große Sorgen machen.

Gestern Abend nach Redaktionsschluss traf sich Ropertz so mit 130 Eltern der Wevelinghovener Grundschule. Die dortige Turnhalle war für die Unterbringung von Asylsuchenden auserkoren worden, weil sie nicht direkt auf dem Schulgelände liegt. Doch die Eltern hatten prompt Alarm geschlagen. Der Dezernent spricht dabei von einer „gewissen Aggressivität“.

„Die Unterbringung dort ist keine Dauerlösung“, macht er im Weiteren deutlich. Immerhin fehlten dort neben der Halle Räumlichkeiten zur Verpflegung der Flüchtlinge. „Im Zuge des nächsten Jahres“ solle

deren Unterbringung in der Wevelinghovener Turnhalle beendet werden. „Aber das hängt natürlich auch davon ab, wie viele Flüchtlinge in die Stadt kommen.“

Bis Ende des Jahres werden es in Grevenbroich 900 stationierte Flüchtlinge sein; Ropertz geht fürs kommende Jahr von weiteren 2.000 aus. Für den „worst case“ nennt Bürgermeister Klaus Krützen sogar 2.500 Asylsuchende. Und bei dieser Zahl wird schnell klar, dass hier sämtliche Rahmen gesprengt werden.

An der Gillbachstraße sollen Ende März Container für 80 bis 100 Flüchtlinge bereitstehen. Wie das Gelände an der Merkatorstraße genutzt werden soll, ist politisch stark umstritten. Für Krützen steht fest, dass „mit kleinen Einheiten“ das Problem nicht in den Griff zu bekommen sei.

Also rücken auch in Grevenbroich Zeltstädte in den Blick. „Aber die bauen sie auch nicht so einfach in zwei Tagen auf“, seufzt Ropertz: Man brauche eine Separation in den Zelten: Zwischenwände, Aufenthaltsbereiche, Duschen, Waschmaschinen und damit Wasser- und Abwasserkanäle.

Vom RWE hat Ropertz jetzt die Ankündigung erhalten, dass in Kürze geeignete Fläche gemeldet würden. Aber auch hier braucht es kanalmäßige Erschließung. Und: „Die Flächen müssen natürlich außerhalb des umzäunten Betriebsgelände liegen.“

„Unser Ziel kann es nur sein, dass wir von den Zuweisungen nicht mehr überrascht werden“, fordert CDU-Chef Wolfgang Kaiser. „Und unser Ziel sollte es nicht sein, Turnhallen zu schließen. Wir müssen Gebäude – feste oder bewegliche – finden, in denen wir die Leute unterbringen können.“ Also sind auch für ihn Zelte die Alternative.

„In drei Wochen soll ein fertiges Konzept vorliegen – mit kurz- und mit langfristigen Lösungen“, macht Klaus Krützen Dampf. Er hat in dieser Woche eine Arbeitsrunde mit Vertretern aus allen wichtigen Bereichen des Rathaus zusammengerufen, die sich bis zu zweimal wöchentlich treffen soll, um ebendieses Konzept zu erarbeiten.

„Letztendlich ist mir egal, wie viele Flüchtlinge da kommen. Die, die kommen, kommen eben. Und die müssen untergebracht werden“, sagt der Bürgermeister in Merkel´scher Entschlossenheit.

Er schließt aber nicht aus – im Einklang mit den anderen Bürgermeistern aus dem Rhein-Kreis – Grenzen aufzuzeigen. „Zu gegebener Zeit habe ich kein Problem damit, das nach außen hin zu diskutieren: Liebe Leute, passt auf, wir sind nicht in der Lage, unbegrenzt Flüchtlinge aufzunehmen“, wäre dann die entschlossene Botschaft in Richtung Berlin und Düsseldorf.

Einen Kritikpunkt hat er bereits gefunden: Während die Städte und Gemeinden, die Kreisen zugeordnet seien, über 100 Prozent Flüchtlinge aufgenommen hätten, lägen die kreisfreien Städte erst bei 70 Prozent. Das sei nicht Ordnung, sagen die Rhein-Kreis-Bürgermeister.

Übrigens wird das Auerbachhaus inzwischen verstärkt für Veranstaltungen gebraucht. Einzig im Obergeschoss wurde ein kleiner Bereich abgegrenzt, der dann genutzt werden soll, „wenn Flüchtlinge zur Unzeit“ kommen (also mitten in der Nacht zum Beispiel, wenn eine andere Unterbringung sofort nicht möglich ist).

(Kurier-Verlag)