Pandemie hat Krankenhaus-Landschaft dauerhaft verändert „Ohne Menge bekommt man auch die Qualität nicht hin“
Grevenbroich · Landrat Hans-Jürgen Petrauschke bringt es in seiner pointierten Art auf den Punkt: Alle wollen das Krankenhaus vor Ort behalten, gehen aber im eigenen Krankheitsfall lieber zum viel gelobten Spezialisten in die Uni-Klinik. Das bleibt auf der Kostenseite natürlich nicht ohne Folgen. Deshalb denkt der Kreis wieder einmal über die Zukunft seiner Kliniken nach...
Um das Positive vorweg zu sagen: Das, was am Montag im Aufsichtsrat des Kreis-Klinikums diskutiert wird, ist die vorausschauende Planung für 2030. Und Petrauschke ist sicher, dass dann eher mehr als weniger Personal gebraucht wird, so dass die Jobs in Medizin und Pflege als (relativ) sicher gelten können.
Allerdings zeichnet sich – quasi unter dem aktuellen Pandemie-Geschehen – ein weiterer Wandel in dem, was Krankenhäuser leisten müssen, ab: Die Aufenthaltstage in der Klinik werden pro Eingriff immer weniger (Petrauschke: „Bei einer Blinddarm-Operation müssen Sie heute quasi vom OP-Tisch aufstehen und sich wieder bewegen.“). Dafür wird beschleunigt durch Corona immer mehr ambulant erledigt, wobei die hier lukrativen Eingriffe gerne von privaten Anbietern übernommen werden.
In der Bilanz führt das zu immer weniger Einnahmen, was gerade für das „St. Elisabeth“-Krankenhaus problematisch ist. Denn das hat im Vergleich der Hospitäler, die im „Rheinland Klinikum“ zusammengefasst sind, das geringste Hinterland: Im Hackenbroicher Haus werden der Kölner Norden und Teile des Rhein-Erft-Kreises mitversorgt. Das Neusser Haus hat eh ein bewohnerreiches Umfeld. Und so hat die Schloss-Stadt-Klinik die rote Laterne...
„Dem Land sind Riesen-Kästen am liebsten“, sinniert Petrauschke im Gespräch mit dem Erft-Kurier weiter. Auch wenn er einen zentralen Neubau anstelle der drei Standorte ablehnt, konstatiert er, dass man in der modernen Medizin „eine gewisse Größe“ brauche. Denn: „Ohne Menge bekommt man die Qualität nicht hin.“
Je häufiger und routinierter die Operationen durchgeführt würden, umso sicherer und erfolgreicher könne gearbeitet werden. Das ist immerhin ja auch das Prinzip, warum sich Patienten im Fall der Fälle lieber für den wohl beleumundeten Spezialisten an irgendeiner Uni-Klinik entscheiden. Auch die Krankenhausaufsicht fordert deshalb bestimmte Mindestmengen bei den jeweiligen Operationen ein.
Ein dickes Brett, das wieder einmal gebohrt werden muss. Landrat Petrauschke hofft, den Standort Grevenbroich mit den Fachbereichen Geriatrie und Palleativmedizin ins nächste Jahrzehnt retten zu können. Vorstellbar sei auch, dass hier am Ort die gesamte Ausbildung konzentriert wird.
Alle medizinischen Angebote an allen drei Standorten, das könne es nicht geben.
Auf der anderen Seite: Vor einer kurzfristigen Schließung der Grevenbroicher Klinik müsse niemand Angst haben: „In Neuss und Hackenbroich gibt es überhaupt keinen Platz, die Grevenbroicher Patienten aufzunehmen.“
Gerhard Müller
Update:
Zwischenzeitlich hat sich auch die SPD zu diesem Thema zu Wort gemeldet.
„Im Strategieausschuss des Rheinland-Klinikums setze ich mich dafür ein, dass der Standort Grevenbroich erhalten bleibt und weiterhin ein umfangreiches und wohnortnahes Gesundheitsangebot für die Menschen in unserer Stadt bereitstellt“, sagt Bürgermeister Klaus Krützen. Auch Aufsichtsratsmitglied und SPD-Kreisvorsitzender Daniel Rinkert bekennt sich zum „St. Elisabeth“-Krankenhaus: „Der Bürgermeister und ich nehmen in den Gremien des Rheinland-Klinikums unsere Verantwortung wahr, Grevenbroich zu vertreten und auf der Grundlage der Ratsresolution für den Standort zu kämpfen. Aber letztendlich sind wir dabei von den beiden Gesellschafterinnen Stadt Neuss und Rhein-Kreis abhängig.“
„Das Rheinland-Klinikum hat auch eine Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir fordern also ein zukunftsfähiges Konzept für alle drei Teilstandorte, denn schließlich sind die über 4.000 Arbeitsplätze ein wichtiger Faktor für den Wirtschaftsstandort Rhein-Kreis. In diesem Zusammenhang muss dann auch noch einmal über die Geburtsstation gesprochen werden“, ergänzt Fraktionsmitglied Gina Penz.