Hexen, Geheimgänge und extrem konsequente Wirtinnen
Grevenbroich · Die Geschichte Grevenbroichs ist viel spannender als die meisten denken. Anni Bierbaum ist als Stadtführerin vertraut mit den kleinen Anekdoten rund um die Historie der Schloss-Stadt.
Der Start von fast allen Stadtführungen ist am „Café Kultus“, wo früher das Wilhelmitenkloster war. „Hier sind wir ganz zentral und ich kann schon auf die Kirche, das Rathaus und das ,Haus Portz‘ eingehen. Ich versuche, die Leute gar nicht mit zu vielen Jahreszahlen zu ,erschlagen‘, sondern eher mit kleinen Geschichtchen zu begeistern. Beim ,Haus Portz‘ ist es zum Beispiel so, dass ganz Grevenbroich früher die Wirtinnen Maria und Finni kannte. Die beiden hatten strikte Regeln. Bevor das Hochamt nicht komplett zu Ende war, wurde die Wirtschaft nicht eröffnet. Und wer dort mal auf Toilette musste, hatte schon fast ein schlechtes Gewissen, denn die Schwestern führten ein strenges Sauberkeits-Regiment. Ihnen wäre es vermutlich am liebsten gewesen, wenn nach dem Putzen niemand auch nur auf die Idee kommen würde, etwas zu benutzen“, erzählt Bierbaum.
Die Grevenbroicherin hat sich schon immer für Geschichte interessiert. Zur Stadtführerin ließ sie sich gemeinsam mit ihrem Mann anlässlich der Landes-Garten-Schau ausbilden. Danach schlief die Aktivität etwas ein, doch 2006 setzte sich Bierbaum mit der Volkshochschule in Verbindung und schlug vor, Stadtführungen wieder zu etablieren.
Seitdem ist die Seniorin mit Gruppen unterwegs: „Über die VHS kommen bunt gemischte Truppen zusammen. Ich werde aber auch von Vereinen, Schulen oder jetzt sogar als Programmpunkt bei einem Junggesellenabschied gebucht! Ich freue mich, wenn ich dann individuell auf die Teilnehmer eingehen kann.“
Besonders beliebt sind übrigens die Grusel-Touren. Diese werden vor allem im Frühjahr und Herbst angeboten, wie die Stadtführerin verrät: „Dann stimmt das Licht. Wir gehen in der Dämmerung, ich habe eine Laterne mit dabei. Wenn dann noch der Nebel die Erft und das Schloss umhüllt, dann haben wir die richtige Stimmung, um mal darüber zu sprechen, wie das zum Beispiel mit den Hexen und den Kerkern damals war.“
Außerdem berichtet sie über unterirdische Gänge, von denen niemand so ganz weiß, ob es sie noch gibt …
Faszinierend ist für die Mutter eines erwachsenen Sohnes, dass viele Grevenbroicher kaum etwas über die Geschichte ihrer Stadt wissen: „Dabei ist die so spannend. Wussten Sie zum Beispiel, dass dank der Familie Zuccalmaglio zahlreiche bekannte Persönlichkeiten wie die Gebrüder Grimm, Robert und Clara Schumann oder Johannes Brahms in unserem kleinen Grevenbroich zu Gast waren? Die Zuccalmaglios haben Kunst und Kultur geliebt, waren selbst in dem Bereich tätig. Ihnen haben wir übrigens auch zu verdanken, dass wir hier noch ganz viele heimische Apfelsorten haben. Sie haben die bei uns angebaut!“
Die Kunst liegt auch Anni Bierbaum am Herzen: Das macht für die Wevelinghovenerin auch das Besondere an der Schloss-Stadt aus. Die Kunst ist in der ganzen Umgebung integriert als Teil des täglichen Lebens. „Ich bin zum Beispiel gerne im Yan-Hamilton-Finlay-Park direkt gegenüber dem ,Alten Schloss‘.
Hier hat der Künstler ganz viele Kunstwerke im Wald integriert, die zunächst einmal entdeckt werden wollen und dann zum Nachdenken anregen sollen, wirbt sie. Wer diesen Park noch nicht kennt, sollte sich einmal auf Entdeckungstour geben. Als Fan der Historie fällt es der 67-Jährigen schwer, wenn sie einschneidende Veränderungen in der Gegend bemerkt: „Wir haben so viele alte Gebäude, ich würde mich freuen, wenn alles, was neu dazu kommt, so gebaut wird, dass das Alte und das Neue zusammen passen. Mir ist zum Beispiel immer noch der Anbau am ,Alten Schloss‘ ein Dorn im Auge. Das passt einfach nicht!“
Wer sich für eine Stadtführung interessiert, erhält entweder über die VHS weitere Infos oder bei Anni Bierbaum selbst unter 02181/71 44 3.
Sechs Führungen zu unterschiedlichen Themen sind aktuell im Angebot der Wevelinghovenerin, die verspricht: „Das war es sicher noch nicht. Ideen habe ich nämlich noch ganz viele!“
Man darf also gespannt sein auf das, was sie noch in petto hat.