Wann kam die Flut? – Ende der Ausgrabungen ist nicht in Sicht
Grevenbroich · Wann kam die große Flut? Welche Zerstörungen hinterließ sie rund um das Grevenbroicher Schloss, das gerade seinen Besitzer gewechselt hatte? Wurde die Mühle in direkter Nachbarschaft in Mitleidenschaft gezogen?
Wie wirkte sich das alles auf die junge Schloss-Stadt aus? Alles hoch spannende Fragen, die Grabungsleiter Horst Husmann mit Inbrunst und mitreißender Begeisterung aufwirft. Schade nur, dass da, wo nun von einem mehr als 20-köpfigen Team gegraben wird, eigentlich schon der Rohbau des neuen Bades stehen sollte. Und schade, dass die Kosten für diesen „ofenfrischen Blick“ in die Geschichte das GWG und damit natürlich auch die Bürger der Stadt Grevenbroich zahlen müssen.
„Land unter in Grevenbroich: Flutkatastrophe im Mittelalter“ lautet momentan die Überschrift über die Grabungen hinter dem „Alten Schloss“. Was im Mai mit ein paar Holzbalken und einer Speerspitze (für die gibt es immer noch keine Einordnung) begonnen hat, sortiert sich langsam zu einem Bild. Zu einem Bild mit noch immer vielen Fragezeichen.
Fakt ist, dass die Funde in Schichten unterhalb des ehemaligen Schlossgrabens in Sedimentschichten liegen, die ihrerseits nach unten vom Rheinschotter begrenzt werden. Horst Husmann macht bei einem Rundgang mit Journalisten deutlich, dass Holzfunde in diesem hervorragenden Erhaltungszustand selten sind, dass sich viele Wissenschaftler auf deren Auswertung wirklich freuen. Zunächst einmal kann mit ihnen natürlich eine Datierung versucht werden.
Diese „dendrochronologische Untersuchung“ findet im Dendro-Labor der Archo-Botanik der Kölner Uni statt. Entscheidung sind die Jahresringe, ihre Dicke und damit der Hinweis auf Wachstums reiche oder arme Jahre. Anhand von Referenzdaten kann man die ermittelten Kurven in vorliegende Jahreskarten „einhängen“. Das Ergebnis: Die Eichenstämme stammen aus einer Zeit zwischen 1310 bis 1324/25. Zu dieser Zeit war die Grevenbroicher Burg von den Grafen von Kessel zunächst an Kur-Köln und dann 1308 an die Grafen von Jülich gegangen, die die Burg zum Schloss ausbauten, so dass dort auch einmal der „Landtag“ zusammentreten konnte.
Unklar ist noch, um was für ein „Bauwerk“ es sich handelte. Die Eichenstämme wurden tief in die morastige Auenlandschaft in dem Erft-Bogen gerammt. Eine Technik, die seit den Römern bekannt war, die aber viele Handwerker und Spezialisten erforderte. Die Archäologen kartographierten bis jetzt eine mächtige Spundwand sowie dahinter in Richtung Schloss im rechten Winkel Reihungen weitere Pfähle, die nicht mehr ganz so mächtig sind. Und an einer Stelle fanden sich auch Holzteile, die auf Aufbauten auf diesen Pfählen schließen lassen.
Die meisten der dicken Stämme stecken tief im Rheinschotter, wurden dann aber in einer gleichbleibenden Höhe vom Schloss weg umgeknickt. „Wie viel Dynamik hier eingefroren ist“, freut sich Husmann, der im Auftrag des „Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege“ aktiv ist. Ein „Hochwasser, klimatisch bedingt,“ gilt in einer Arbeitshypothese als Ursache für die Zerstörung der Konstruktion.
Es sei davon auszugehen, dass schon damals die Erft für die benachbarte Mühle aufgestaut worden ist. Wahrscheinlich hat es auch Flutgräben (eventuell Zweck der Spundwand?) gegeben. „Vielleicht ist es nach einem Starkregen-Ereignis zu einem Uferbruch gekommen, so dass sich der gesamte Stausee in die Auenlandschaft ergossen hat. Und wir sehen ja heutzutage immer wieder, welche Verheerungen Überflutungen auslösen können“, so Husmann weiter.
Konkreteres kann er aber erst sagen, wenn das „Grabungsfeld 2“ bis zur Rheinschotterschicht abgetragen ist. Dann könne auch erst eine Schätzung abgegeben werden, wie lange die Bad-Baustelle noch stillgelegt ist. Offiziell wird derzeit von Juli 2016 gesprochen, inoffiziell von Herbst 2016.
Hört man aber Husmann zu, kommt man ganz schnell zu der Erkenntnis, dass all diese Schätzungen Makulatur sind. Für die Archäologen sind die Funde viel zu „spannend“, als dass sie darauf verzichten würden, auch das letzte Rätsel zu lösen. „Auch für das Bad sind Pfahlgründungen erforderlich. Und wenn die Betonplatte des Bades errichtet wird, wäre alles an Funden darunter zerstört“, so Husmann am Rande des Rundgangs.
Aber er versprach, dass alle wertvollen Relikte vergangener Jahrhunderte mitgenommen würden. „Nach uns kann der Bau kommen.“ Doch wann das ist, ist für den Wissenschaftler vollkommen unerheblich. Für ihn ist es wichtig, Licht in das Dunkel der Geschichte zu bringen. In eine Zeit, die für die Region und ihre Entwicklung von großer Bedeutung war.
Die römischen Scherben, die dort im Sediment auch gefunden wurden, sind allerdings weniger bedeutsam. Sie sind „stark zerscherbt“ und wohl „verlagertes Material von einem anderen Fundplatz“, der außerhalb des Geländes liegt und der auch noch nicht gehoben wurde.