Das Top-Kurier Türchen zum 19.Dezember Das Baggertürchen aus der Nähe
Jüchen · Der Tagebau ist aus der Region nicht wegzudenken. Riesige Bagger ragen aus der Ferne empor und ein Loch zieht sich um die Gemeinde. Mehr ist nicht zu sehen, dabei gibt es aus der Nähe viel zu entdecken.
Alina Gries hat sich näher getraut und ein Baggertürchen geöffnet.
Der Tagebau ist in die nordsüdliche Richtung etwa sechs Kilometer lang und in die ostwestliche Richtung ebenfalls. Dabei wird er in zwei Bereiche gegliedert, Zum einen in die Öffnung, zum anderen in die Verkippung. Quer durch die Gebiete führen Bandanlagen, die die Kohle zu den Kraftwerken transportieren. Diese können aber nur geradeaus verlaufen — in einer Kurve muss eine Übergabe der Station errichtet werden. Baggert also ein Kohlebagger den Abraum ab, wird dies über ein Fließband im Inneren auf die Bandanlage transportiert. Dabei kommen sowohl Kohle als auch Kies und Sand zusammen.
Diese wandern dann von Tagebau aus in Richtung der Kohlebunker. 600.000 Tonnen Kohle kann hier aufgenommen werden. "Wegen des sehr dicken Lößbodens in der Umgebung, gibt es hier mehr Felder als Wald. Er ist sehr kalkreich und trägt zu einer guten Ernte bei", erklärt RWE-Pressesprecher Guido Steffen.
Während auf der einen Seite die Kohle in die Kraftwerke verlagert wird, befindet sich auf der anderen Seite die Möglichkeit zur parallelen Kultivierung. "Gleichzeitig wird Abraum für den künftigen neuen Boden gesammelt", so Steffen. In knapp zwei Jahren soll hier die Autobahn zwischen dem Kreuz Holz und dem Rest der Strecke hergestellt werden, nach dem die A46 Richtung Heinsberg an der Anschlussstelle Jackerath/Wanlo teilweise in das Gebiet des Tagebaus verfällt.
Durch den Tagebau lässt es sich nur mit einem speziellen Truck fahren. Zu matschig und bergig sind die "Straßen". Dabei sind die unterschiedlichen Erdschichten anhand der Farben gut erkennbar. "Schwarz ist Kohle, darüber ist es hellgrau, darunter grau und auf dem Boden auf dem wir hier stehen und fahren, ist Meeressand, ein Vorgänger der Nordsee", erklärt Steffen, "die orangene Erdschicht ist Kies, der durch Eisen stammt." Und der ockerfarbene Lößlehm sei aus der jüngsten Eiszeit.
Erst durch den Halt vor dem Bagger wird deutlich, wie gigantisch dieses Stahlmonstrum ist: 70 Meter hoch und 200 Meter lang. Das Schaufelrad hat einen Durchmesser von 17,3 Metern mit zehn Schaufeln, die 40 Schüttungen pro Minute leisten können. "1,20 Meter bewegt sich der Bagger nach links und nach rechts, um ganz sanft den Abraum abzubaggern", erklärt Steffen. Hierbei ist vor allem Feingefühl gefragt!
Ohne Brille, Handschuhe und Helm darf der Bagger nicht aus der Nähe betrachtet werden. Zu gefährlich ist der aufgewirbelte Staub für die Mitarbeiter. Während der Eindruck entsteht, der Bagger wäre fest auf einem Platz installiert worden, wird nur sehr vage wahrgenommen, dass er sich jede Minute etwa sechs Meter bewegt.
Wird der Bagger betreten, stellt er einen einzigen Irrgarten dar. Treppen in jegliche Richtungen, doch am Ende wartet nicht unbedingt eine Türe. Ist der richtige Weg dann einmal gefunden, trifft man in etwa drei bis vier Mitarbeiter an. Sogar einen Aufenthaltsraum gibt es dort oben.
Treppen hoch, Treppen runter, links und dann wieder rechts, vorbei an Fließbandanlagen, die voll beladen sind mit Erde — schließlich über eine schräge Brücke zum Baggerhäuschen. Dort sitzen Werner Lange und Christian Seifert. "Ich habe gedacht, es sei ein krisensicherer Arbeitsplatz", sagt der 54-jährige Lange, "es ist ein sehr vielfältiger Job, wo man nicht nur stupide rumsitzt."
Stolze 37 Jahre ist Lange nun schon dabei. "Einmal habe ich eine Granate ausgebaggert, da habe ich ein sehr mulmiges Gefühl bekommen", beschreibt Lange. Denn jede Handbewegung zählt. Aber auch Mammutzähne hat der 54-Jährige schon ausgegraben.